Das deutsch-britische Chef-Karussell dreht sich
Was ist los im Kulturdreieck London-Berlin-Dresden? Neil MacGregor, charismatischer Chef des British Museum, wechselt nach Berlin und wird Gründungs-Indendant des Humboldt-Forums. Im wiederaufgebauten Berliner Schloss soll er dem geplanten Museum der Weltkulturen den entscheidenden konzeptionellen Kick geben. Auf seinen Platz in London rückt Hartwig Fischer, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. An der Themse trifft Fischer auf seinen Dresdner Vorgänger Martin Roth, der selbst vor vier Jahren an die Spitze des Victoria and Albert-Museums wechselte. Und dann ist da noch Tate Modern-Chef Chris Dercon, der die Leitung des weltgrößten Museums für moderne Kunst aufgeben wird, um an der Berliner Volksbühne das Theater neu zu erfinden.
Kulturdiplomatie, eingefädelt von höchster Stelle? "Ach was", winkt David Chipperfield ab und wartet mit einer verblüffend simplen Erklärung auf: "Es bewegt sich einfach sehr viel zur Zeit". Der Stararchitekt mit Sitz in Berlin, gefeierter Modernisierer des Neuen Museums und eng beteiligt am Masterplan für die Berliner Museumsinsel, kennt die Szene. Nicht ohne Grund vereinnahmt Angela Merkel den Briten als "einen unserer berühmtesten deutschen Architekten". Auch wenn britisches Know-how in Berlin hoch im Kurs steht: Chipperfield hat Recht. Nichts spricht für eine gemeinsame deutsch-britische Rochade der Kulturpolitik. Dazu gibt es eindeutig zu viele Verlierer im Spiel: London gibt mit Neil MacGregor und Chris Dercon zwei seiner prominentesten Kulturköpfe ab. Dresden muss zum zweiten Mal in fünf Jahren einen neuen Chef für seine Kunstsammlung finden.
Die einfachste Erklärung liegt in der Person Neil MacGregors selbst. Keiner hat in den letzten Jahren mehr für das Deutschlandbild in Großbritannien getan als der Chef des British Museum mit seiner umjubelten Schau "Germany - Memories of a Nation". Die Wahl des von ihm geschätzten Kollegen aus Dresden als Nachfolger ist da nur konsequent. Unwahrscheinlich, dass die Personalie ohne MacGregors Mitwirkung entschieden wurde.
Aber es geht um noch mehr. Die Turbulenzen zwischen Berlin, Dresden und London sind Teil eines viel größeren kulturellen Sturmes. Vor wenigen Wochen berief Italien erstmals für sieben seiner Spitzenmuseen ausländische Direktoren, darunter den 47jährigen deutschen Kunsthistoriker Eike D. Schmidt als Direktor der Uffizien. Italiens Kulturrevolution zeigt: Europas große Museen - jahrhundertelang Festungen bildungsbürgerlicher Selbstvergewisserung - suchen fieberhaft Anschluss an eine neue Zeit. Die Konkurrenz privater Sammlermuseen setzt ihnen zu, Etats werden knapper, Ankäufe für Sammlungen unbezahlbar. Weltweit entstehen neue Mega-Standorte der Kunst. Ein globaler Wettlauf um Besucher und mediale Aufmerksamkeit ist entbrannt, der nach einem neuen Manager-Typus verlangt: verantwortlich nicht nur für die Kunst, sondern auch für Budget, Personal und Vermarktung. Die neuen Manager müssen Besucherzahlen im Auge behalten, die digitale Welt berücksichtigen und brauchen ein Händchen für Sponsoren und Events. Die Globalisierung der Museumswelt ist in vollem Gang, Londons British Museum und das Berliner Humboldt-Forum stehen mittendrin.
Die Berufung Chris Dercons nach Berlin lässt erahnen, wie die Zukunft des Museums aussehen könnte. Der dynamische Tate-Chef aus Flandern übernimmt ein großes Schauspielhaus und bringt auf der Volksbühne alles zusammen: Theater, Tanz, Performance, Kunst. Das Museum als Bühne. Die Bühne als Kunstraum. Die Grenzen zwischen den Künsten verschwinden. Um es mit David Chipperfield zu sagen: Es bewegt sich viel.
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