Der Kaiser brauchte Geld. Viel Geld, und das auch noch schnell. Was macht man in so einer Situation? Klar, Steuern erhöhen. Der Kaiser erfand gar eine neue, die Latrinensteuer, mit der er Urin besteuern konnte. Seinen naserümpfenden Sohn Titus, den das geldgierige Gebaren seines Erzeugers anwiderte, beschied der Mächtige: "Geld stinkt nicht!"
Schöne Geschichte, die den Kanon unserer klassischen Bildung bereichert. Außerdem dient Vespasians "Pecunia non olet" seither jenen als Erklärung, die viel Geld verdienen. Und viel Geld, das heißt vor allem: Auf jeden Fall mehr als alle anderen.
Aber darf man es sich so einfach machen? Nein und dreimal nein! Rufen jetzt die, denen jedes Verhalten zuerst moralischer Beurteilung unterliegt. Aber ja doch, antworten andere, weil es in jeder Krise jemanden gibt, der daraus noch Geld macht. Und außerdem: Wir leben im und vom Kapitalismus, da gehört das doch einfach dazu!
Das Phänomen mit der Maske
Weil in einer Wirtschaftsredaktion relativ wenig Philosophen, aber dafür umso mehr Pragmatiker arbeiten, sehen wir uns das konkret an: Wer profitiert denn von der Krise? Der Autor etwa hat sich vergangenen Herbst in der Apotheke Atemmasken gekauft, weil er erkältet war und niemanden anstecken wollte. Eine Sechser-Packung für so wenig Geld, dass er sich an den Preis gar nicht mehr erinnern kann.
Die vorläufig letzte Maske, die der Autor in der vergangenen Woche käuflich erwarb, kostete ihn drei Euro. Allerdings kam sie von einer Schneiderin, die sonst gar kein Geschäft mehr hatte. Ja, dann... Doch wenn der Apotheker jetzt plötzlich mehr verlangt als vor der Krise: Ist das dann moralisch verwerflich?
Ein Grund für diese Inflation liegt ja schlicht darin, dass es nicht genug Masken gab. Und wo die Nachfrage das Angebot übersteigt, da steigen eben die Preise. Dass wir die unbequemen Dinger auch noch aus China (von allen Ländern dieser Welt: aus China!) importieren mussten, dafür konnte weder meine Schneiderin noch der Apotheker etwas.
Die richtig goldene Nasen
Doch die echten Krisengewinnler sind nicht Schneiderin noch Apotheker, die Super-Winner waren schon vorher reich. Nur, dass sie jetzt mit dem Geldzählen gar nicht mehr nachkommen. Und da stellt sich dann schon die Frage, ob der römische Kaiser Vespasian wirklich recht gehabt hat, oder ob Geld nicht manchmal doch ein wenig streng riecht.
Im Fokus stehen Männer wie Amazon-Boss Jeff Bezos, Milliardärs-Allrounder Elon Musk, Microsofts Steve Ballmer, Immobilien-Tycoon John Albert Sobrato, Zoom-Gründer Eric Yuan sowie Joshua Harris von Apollo Global Management und Rocco Commisso von Mediacom.
Das "Institute for Policy Studies", einer der größten Think Tanks in der US-Hauptstadt Washington,hat in der vergangenen Woche einen Report veröffentlicht, in dem die Namen dieser Männer stellvertretend dafür stehen, dass Reiche immer reicher werden und Arme immer ärmer - und zwar gerade in der aktuellen Krise.
Die Guten und die Bösen
Dabei versuchen viele Beobachter, zwischen "guten" und "schlechten" Gewinnern zu unterscheiden. Auf der deutschen Website Telepolis etwa schreibt Florian Rötzer vom laut Bloomberg reichsten Mann Singapurs. Li Xiting, Mitbegründer von Mindray, eines Herstellers medizinischer Geräte, sei in nur einem Monat um eine Milliarde US-Dollar reicher geworden. Mindray stellt unter anderem Beatmungsgeräte her. Aufträge dafür kommen gerade aus mehr als 100 Ländern.
Andere kommen nicht so gut weg. Weil sie wie Versandhändler Amazon von den Lockdowns profitieren, unter denen viele Millionen Menschen leiden. Wie Microsoft und Zoom, die an der uns aufgezwungenen Heimarbeit verdienen, weil sie Videokonferenzressourcen verkaufen. Oder jene, deren Umsatz durch die Decke geht, weil sie im Silicon Valley immer teurer werdende Immobilien handeln. Sie alle tun der Gesellschaft, so der unterschwellige Vorwurf, nichts Gutes. Statt Altruismus herrsche bei ihnen nur Profitgier .
Außerdem spenden viele Reiche und Super-Reiche gerade sehr viel Geld und verschweigen das auch nicht. Vielleicht wäre es auch keine schlechte Idee, lieber Steuern zu bezahlen, aber das ist wieder eine andere Baustelle. Es zeigt jedoch, dass es nicht damit getan ist, mit dem Finger auf die reichen Pandemieprofiteure zu zeigen, dafür ist das Thema leider doch zu komplex.
Systemimmanente Ungerechtigkeiten
In den USA haben seit Mitte März etwa 50 Millionen Amerikaner ihren Arbeitsplatz verloren. Das Vermögen der US-Milliardäre habe im selben Zeitraum aber, so Telepolis, um zehn Prozent oder 282 Milliarden US-Dollar zugelegt.
Während notleidende Amerikaner mit einer einmaligen Zahlung von 1200 US-Dollar abgefunden werden, bekommen 43.000 US-Millionäre (unter ihnen auch Donald Trump und seine Familienangehörigen) Steuerrückerstattungen in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar geschenkt. Florian Rötzer: "Das sind statt 1200 US-Dollar im Durchschnitt 1,7 Millionen."
Mal an die eigene Nase fassen
Wenn in Europa zu wenig Medizingüter - von der Atemmaske bis zum Beatmungsgerät - produziert werden und wir uns von Importeuren abhängig machen: Wie wollen wir denen dann verübeln, dass sie mit diesem Umstand Geld, oder auch sehr viel Geld verdienen wollen?
Dass jetzt jener Mann so unglaublich viele Moneten scheffelt, weil wir so viel Zeit vor dem Fernseher verbringen und uns alles mögliche liefern lassen, eben der Mann ist, der das Ich-bin-doch-nicht-blöd-und-zahl-im-doofen-Deutschland-auch-noch-Steuern-Prinzip perfektioniert hat, ist jetzt suboptimal. Aber es ist genauso Herrn Bezos anzulasten wie uns und unserer Nachlässigkeit.
Nur kein Neid: ein neues Geschäftsmodell
Auf der oben erwähnten Pandemieprofiteurliste steht übrigens auch eine Frau: MacKenzie Bezos, Ex-Gattin des Versandhändlers Jeff Bezos. Die erstritt bei der Scheidung ein Viertel der Aktien der Firma ihres frisch gebackenen Ex-Ehemannes. Seither ist Frau Bezos eine der reichsten Frauen der Welt.
Weil Jeff Bezos nun so wunderbar viel Geld verdient, ist auch seine Firma immer mehr wert und damit auch das Aktienpaket seiner Ex-Frau - was auch sie zu einer Pandemieprofiteurin macht. Und uns zeigt das: Nicht knurren, murren und neidisch gucken ist angesagt, sondern Fantasie.
Streamen wir also (bei Amazon, bitte schön!) den Marilyn-Monroe-Film Wie angelt man sich einen Millionär?. Oder wir kaufen die DVD und lassen sie uns von diesem Sie-wissen-schon-wem liefern - aber jedenfalls werden wir daraus lernen! Auch ich werde keine keine Umstände scheuen und alles daran setzen, meinen Traum zu verwirklichen: Ich werde Milliardärs-Gattin!