Was ist mindestens so gefährlich wie das nahöstliche Pulverfass? Richtig, das koreanische! Insofern ist es beunruhigend, wenn US-Präsident Donald Trump nach dem Abfeuern von 59 Tomahawk Lenkraketen auf einen syrischen Militärflughafen ein weiteres Signal der Stärke setzt: Die Verlegung des atomgetriebenen Flugzeugträgers "Carl Vinson" mit seinen knapp 6000 Soldaten und 85 Kampfjets vor die koreanische Küste. Beunruhigend deshalb, weil man bei dieser vermeintlichen Demonstration von Entschlossenheit nicht weiß, für welches Ziel diese Entschlossenheit gut sein soll. Beunruhigend ist auch, dass schon der Raketenangriff auf Syrien nicht in eine größere Strategie eingefasst zu sein schien - und ausgerechnet dann gestartet wurde, als Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping bei Steak und kalifornischem Wein zusammen saßen. Das muss Xi als Ausrufezeichen hinter Trumps Äußerungen Tage zuvor verstanden haben, das "Nordkorea-Problem möglicherweise im Alleingang zu lösen".
Pekings Dilemma
Insgesamt sieben Stunden saßen Xi und Trump in Florida zusammen. Nordkorea wird dabei weit oben auf der Agenda gestanden haben. Zu konkreten Schritten Chinas gegenüber Nordkorea aber hat Trump seinen Gast aus Peking nicht bewegen können. Dabei ist auch Peking zunehmend verärgert über die Eigenmächtigkeiten Kim Jong-Uns: Zwei Atomwaffentests führte Nordkorea allein im letzten Jahr durch. Die Begleitmusik besorgten Dutzende Raketentests, einer sogar von einem U-Boot aus. Das ist nicht das, was Peking sich unter einem stabilen und wirtschaftsfördernden Umfeld vorstellt, noch viel weniger unter guter Nachbarschaft. Pekings ständig wiederholter Wunsch nach einer koreanischen Halbinsel frei von Atomwaffen ist glaubwürdig. China trägt die erst im November verschärften Sanktionen gegen das ohnehin weitgehend isolierte Land mit. Es hat jetzt erneut vor neuen Sanktionen für den Fall weiterer Atom- und Raketentests gewarnt. Aber: Mehr als alles andere fürchtet Peking einen Zusammenbruch des Regimes in Pjöngjang, Millionen Flüchtlinge und am Ende möglicherweise US-Truppen an seinen Grenzen. Nordkorea ist eben, so hat es der amerikanische Außenpolitik-Experte Victor Cha schon 2010 treffend formuliert, ein "Land der miserablen Optionen".
Ende der "strategischen Geduld"
Das wird auch Trump feststellen müssen. Dabei haben die USA - anders als in Syrien - bezüglich Koreas tatsächlich ernst zu nehmende nationale Sicherheitsinteressen. Zwar geht bei Pjöngjangs Raketentests vieles schief. Aber auch nordkoreanische Ingenieure lernen dazu. Die Geschosse werden besser. In einigen Jahren könnten sie die USA erreichen, eventuell nuklear bewaffnet. Ob aber die von US-Außenminister Rex Tillerson angekündigte Abkehr von der bisherigen "strategischen Geduld", gepaart mit Drohgebärden der richtige Weg ist, um dieser Gefahr zu begegnen, steht auf einem anderen Blatt. Mit der amerikanischen Truppenpräsenz in Südkorea ist militärisches Gewicht bereits sichtbar aufgebaut. Sich aber auf ein Pokerspiel mit Pjöngjang zur Unzeit einzulassen, ist gefährlich. Und einen Schwelbrand löscht man auch dann nicht mit Benzin, wenn das die einzige Flüssigkeit in Reichweite zu sein scheint.
Vorteil Pjöngjang
Ob es einem gefällt oder nicht: Beim Spiel mit Drohungen ist das nordkoreanische Regime im Vorteil. Weil es seine eigene Bevölkerung als Geisel einsetzt. Und: es kann die südkoreanischen Brüder und Schwestern ebenfalls als Geiseln nehmen. Rund 25 Millionen Menschen - fast die Hälfte aller Südkoreaner leben in und um ihre Hauptstadt Seoul. Die aber liegt in Reichweite nordkoreanischer Artillerie. Als hätten die Südkoreaner nicht schon Sorgen genug, wird in US-Medien laut über "präventive Atomangriffe" auf Nordkorea nachgedacht, unter anderem von Ex-CIA-Chef James Woolsey.
Neue Sicherheitsarchitektur in Ostasien
Das wäre sicherlich die schlechteste der miserablen Optionen. Von den schlechten vielleicht noch die beste: Man muss Nordkorea etwas anbieten - auch wenn das angesichts des Unrechtsregimes in Pjöngjang schwer fallen wird. Dieser Gedanke ist Donald Trump nicht fremd. Im Wahlkampf hatte er noch vollmundig erklärt, wenn nötig würde er mit Kim auch Hamburger im Weißen Haus essen, um das Raketenproblem zu lösen. Ein Friedensvertrag könnte ein Anfang sein. Seit 1953 ist der Korea-Krieg zu Ende. Aber am 38. Breitengrad gilt nur ein fragiler Waffenstillstand. Nordkoreas Hochrüstung ist nur zum Teil das Ergebnis einer Paranoia. Und die Atombombe ist die Überlebensversicherung für das Regime. Kim Jong–Un wird umso besessener an ihr arbeiten, je bedrohter er sich von außen fühlt. Wenn eine neue Sicherheitsarchitektur dann auch noch Pekings Interessen berücksichtigte, könnte das für vermehrten Druck von China auf Kim sorgen. Ihr Unrechtsregime aber werden die Nordkoreaner selbst los werden müssen.
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