US-Präsident Donald Trump hat eine Liste mit seinen Wunschkandidaten für den Supreme Court vorgestellt. Das wirkt auf den ersten Blick leicht makaber, schließlich werden die Richter am Obersten Gerichtshof in den USA auf Lebenszeit benannt. Trump kann einen seiner Kandidaten also erst auf die Richterbank setzen, wenn einer der neun aktuellen Richter oder Richterinnen stirbt, oder so schwer erkrankt, dass er oder sie sein Amt nicht weiter ausüben kann.
Spekulationen gibt es in diesem Zusammenhang immer wieder um Ruth Bader Ginsburg, mit inzwischen 87 Jahren die älteste Juristin auf der mächtigsten Richterbank der Vereinigten Staaten. Trump und seinen konservativen Unterstützern ist die liberale Frauenrechtlerin ein Dorn im Auge. In diesem Sommer wurde bekannt, dass sich Bader Ginsburg erneut einer Chemotherapie unterziehen musste. Aufgeben will die liberale Frauenrechtlerin deshalb jedoch nicht, wie sie betonte.
Durchdachter Schachzug im Wahlkampf
Eine kurzfristige Vakanz am Supreme Court ist also nicht unmittelbar abzusehen, und um längerfristig neue Richter zu platzieren, müsste Trump erstmal die Präsidentschaftswahl im November gewinnen. Dass er seine Wunschkandidaten trotzdem jetzt schon verkündet ist kein voreiliger Schnellschuss, sondern ein gut durchdachter Schachzug. Zwei Monate vor der Wahl will Trump so die konservativen Wähler auf seine Seite ziehen, die sich bisher noch nicht sicher waren, ob sie wirklich (nochmal) für Trump stimmen sollen.
Trump verband die Pressekonferenz zur Vorstellung seiner Kandidaten, zu denen unter anderem der umstrittene Senator Ted Cruz zählt, mit einer klaren Warnung: Von Joe Biden nominierte Supreme-Court-Richter würden den US-Amerikanern ihre Waffen wegnehmen, Abtreibungen in späten Schwangerschaftsstadien legalisieren und die Todesstrafe abschaffen wollen. Die Botschaft ist klar: OK, euch gefällt nicht alles, was der Präsident so tut und twittert - aber wenn ihr konservative Gesetze wollt, die eure traditionellen Werte schützen, müsst ihr Trump wählen!
Weckruf für's liberale Amerika
Schon vor der Wahl 2016 hatte Trump eine Wunschliste mit möglichen Supreme-Court-Kandidaten vorgestellt, um Establishment-Republikaner davon zu überzeugen, für einen ehemaligen Reality Showstar als Präsidenten zu stimmen - mit Erfolg.
Die neue Liste sollte auch ein Weckruf für liberale Wähler sein. Aktuell haben konservative Richter bereits eine Fünf-zu-Vier-Mehrheit am Supreme Court. Und ob Ruth Bader Ginsburg weitere vier Jahre durchhält, ist unsicher.
Biden ist nicht jedermanns Traumkandidat bei den Demokraten, das gilt gerade für junge und progressive Wähler. Aber genau dieser Gruppe muss klar sein: Wenn sie zuhause bleiben und ihre Stimme gar nicht abgeben, verbessert das Trumps Aussichten auf eine weitere Amtszeit, in der er aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens einen Richterposten am Obersten Gerichtshof nachbesetzen könnte. Und eine starke konservative Mehrheit am Supreme Court, die auf Jahrzehnte Gesetze zu Themen wie Abtreibung und LGBTQ-Rechten bestimmt, wäre für den liberalen Teil der USA eine Katastrophe.