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Politik

Stalin, eine russische Zumutung

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
24. Januar 2018

Die russische Regierung lässt eine britische Komödie über Stalin verbieten. Damit werden die Bürger entmündigt und eine Aufarbeitung der Vergangenheit abgewürgt, meint Miodrag Soric.

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Eine Stalin-Statue liegt im Regen
Bild: picture-alliance/dpa/L. Ducret

Nein, es herrscht keine Zensur in Russland! Sagt der russische Kulturminister Wladimir Medinski. Nein, Moskau fürchte keine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte! Sagt Minister Medinski. Und lässt eine britische Komödie über den "Tod Stalins" wenige Tage vor der Premiere in russischen Kinos verbieten. Angeblich weil der Streifen gegen Gesetze verstößt. Welche, weiß nur er. Die Verfassung kann es nicht sein. Denn die verbietet Zensur.

Der Kulturminister offenbart, dass es mehr um moralische Gesetze gehe. Er und einige Duma-Abgeordnete finden es offenbar unpassend, wenn unmittelbar vor dem 75. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad den Russen ein Pamphlet zugemutet würde, das sich über den Sieger des 2. Weltkrieges lustig macht: Josef Stalin. Einer dieser Abgeordneten ist die Kommunistin und Duma-Abgeordnete Elena Drapeko. Der Streifen gefährde die Harmonie, die die russische Gesellschaft erreicht habe. Schöner hat es nur Stalin formuliert, als er verkündete: "Es lebt sich besser, es lebt sich fröhlicher."

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DW-Moskau-Korrespondent Miodrag Soric

Halten wir fest: Was dem russischen Bürger zuzumuten ist und was nicht – darüber befindet die Regierung. Und sie hat entscheiden, dass dem Russen weniger zuzumuten ist als den Bürgern Georgiens, Polens, Deutschlands oder der USA. Bleibt die Frage: Warum? Weil der Kreml den Russen nicht zutraut, sich ein eigenes Urteil zu bilden? Das ist völliger Unfug. Der russische Bürger genauso mündig wie der im Westen. Russische Journalisten, die die Stalin-Komödie vorab gesehen haben, lachten über die Gags genauso wie ihre Kollegen in Großbritannien oder anderswo.

Die süßen verbotenen Früchte

Eine starke Zivilgesellschaft scheut keine öffentliche Diskussion, keine Debatte über die eigene Vergangenheit. Meinungsverschiedenheiten, offen und respektvoll ausgetragen, gehören zur Demokratie - stärken sie sogar. Eine Demokratie, in der nicht debattiert oder gestritten wird, ist keine.

Wer den Film nicht sehen will, soll es bleiben lassen. So einfach ist das. Den Streifen verbieten, wird ihn für viele jüngere Menschen erst recht interessant machen. Schließlich sind verbotene Früchte besonders süß, unerlaubte Bücher interessant per se – auch das wissen die Menschen aus den Zeiten der untergegangenen UdSSR. Anders als zu sowjetischen Zeiten kann aber die heutige Regierung kaum verhindern, dass sich junge Russen den Film ansehen. Wer darüber mehr wissen will, frage einen beliebigen jungen Russen, über welche Internet-Seiten er sich denn seine Filme besorgt.

Den brutalsten aller sowjetischen Diktatoren zu schützen, kann nicht Aufgabe des russischen Staates zu sein. Ein Schlächter, der am Tod so vieler Millionen Russen schuldig ist, nannte auch Präsident Putin eine "komplexe Figur". Vielleicht kommt der Kreml-Chef eine Diskussion um die Rolle Stalins in der Geschichte wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen ungelegen? Schließlich möchte er, dass möglichst viele zu den Urnen gehen. Keiner soll wegen einer Komödie zu Hause bleiben.

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