Der Moskau-Trip des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer war eine Pleite mit Ansage. Schon vor dem Abflug haben deutsche Oppositionspolitiker, aber auch Vertreter aus den anderen beiden Regierungsparteien CDU und SPD die geplanten Moskauer Gespräche von Seehofer heftig kritisiert. Und nach dem Abschluss der Reise zeigt sich: Die Gegner des diplomatischen Ausflugs des Bayern hatten vollkommen recht.
Keine Zeit für "Business as usual"
Durch seine beschwichtigenden Verlautbarungen hat der bayerische Landespolitiker offenbart, dass er die Zeichen der Zeit im Verhältnis zu Putins Russland nicht verstanden hat. Seehofer meint wohl immer noch, dass "die Ukraine-Krise" nur ein Missverständnis sei und man schnell wieder zum "business as usual" mit umfangreichen Aufträgen und ordentlichen Gewinnen für die bayerischen Unternehmen in Russland zurückkehren könne, wenn wir nur wollten.
Doch die Annexion der Krim und der hybride Angriff auf die Ukraine zielten nicht nur darauf ab, eine echte Demokratie sowie einen pro-europäischen Kurs der Ukraine zu verhindern. Vielmehr war und ist die russische Aggressionspolitik gegen die Ukraine Teil einer größeren Kreml-Strategie, die nach 1990 entstandene Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa zu revidieren. Dieser neoimperialen und revisionistischen Politik aus dem Kreml ist sicherlich nicht zu begegnen, indem man nun - wie Seehofer - voreilig die europäischen Sanktionen in Frage stellt und den Eindruck erweckt, bedingungslos an einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland interessiert zu sein. Zumal Seehofer irrt, wenn er glaubt, dass die russische Wirtschaftsschwäche und die sinkenden Gewinne bayerischer Unternehmen in Russland allein durch die Sanktionen hervorgerufen würden.
Die eigentliche Ursache für Russlands ökonomischen Absturz liegt in der durch Präsident Putin unterbundenen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Modernisierung des Landes und dem Wuchern von Willkür und Korruption. Das hat die Abhängigkeit vom internationalen Rohstoffmarkt noch verstärkt. Der in den vergangenen Monaten regelrecht abgestürzte Ölpreis bedingt einen schwächeren Rubel, was wiederum die Kaufkraft der russischen Konsumenten und auch der Unternehmen sinken lässt. Das ist die Ursache, warum in Russland derzeit kaum Geld zu verdienen ist.
Deutsche strategische Interessen gehen vor bayerischen Wirtschaftsinteressen
Die aufgrund der russischen Ukraine-Politik zu recht verhängten Sanktionen haben die wirtschaftliche Krise in Russland nicht ausgelöst. Sie haben sie bestenfalls so verstärkt, dass der Kreml weitere neoimperiale Pläne in der Ukraine ("Noworossija-Projekt") nicht weiterverfolgen konnte. Insofern sind die westlichen Sanktionen auch erfolgreich.
Ein Abbau der Sanktionen darf es aber nicht ohne handfeste Gegenleistungen von Moskau geben. Ein bayerisch-deutscher Industriepark vor den Toren Moskaus oder ein paar vereinbarte wirtschaftliche Vergünstigungen und Aufträge für bayerische Unternehmen sind definitiv nur Brotkrumen. Das strategische Interesse Deutschlands und Europas muss sein, Putins Neoimperialismus mindestens einzudämmen. Und zu versuchen, mit einer konditionierten und realistischen Politik den Kreml dazu zu bringen, zu den Prinzipien der bewährten Friedens- und Sicherheitsordnung in Europa zurückzukehren. Sicherlich kein einfaches Unterfangen - aber durch beschwichtigende Worte Seehofers gegenüber der russischen Seite auf keinen Fall zu erreichen.
Moskau verstärkt den Flüchtlingsstrom
Auch in der Syrien-Krise und der damit verbundenen Flüchtlingsfrage ist Präsident Putin momentan nicht der von Seehofer erhoffte Partner: Parallel zum Treffen der beiden in Moskau wurden in Genf die kürzlich begonnenen Syrien-Friedensgespräche ausgesetzt - aufgrund einer militärischen Offensive von Assad und der ihn unterstützenden russischen Luftwaffe. Damit hat Putin alle diplomatischen Bemühungen erst einmal torpediert, die vor allem die westliche Diplomatie unter schwierigen Bedingungen versucht hat aufzubauen. So verstärkt die russische Politik sogar noch den Flüchtlingsstrom. Angesichts dieser Entwicklung wirkt der bayerische Ministerpräsident doch wie ein naiver Lokalpolitiker, der sich zu weit auf das internationale diplomatische Parkett vorgewagt hat. Dass Putin und Russland für Horst Seehofer eine Nummer zu groß waren und er der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und der westlichen Russlandpolitik mit seinem Besuch in Moskau einen Bärendienst erwiesen hat, ist mehr als bedauerlich.
Präsident Putin kann dagegen über seine kontrollierten Medien der russischen Bevölkerung das falsche Bild vermitteln, dass westliche Regierungsvertreter wenig an der russischen Außenpolitik auszusetzen hätten. Horst Seehofer kommt somit nicht nur mit faktisch leeren Händen zurück. Vielmehr hat er sich für die russische Staatspropaganda zur Verfügung gestellt und die vom Kreml gewünschten TV-Bilder eines auf blinder Partnerschaft setzenden deutschen Politikers geliefert. All das war abzusehen. Deshalb wäre es besser gewesen, wenn Seehofer erst gar nicht nach Moskau gefahren wäre.
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