Torschlusspanik der Kleptokraten
Nein, so etwas hat es in der EU noch nicht gegeben: Ein Justizminister schwingt sich zum Verteidiger verurteilter Politiker und Oligarchen auf und fordert die Absetzung der erfolgreichsten Korruptionsbekämpferin seines Landes. Die angeführten Gründe sind mehr als fadenscheinig: Sie habe dem Ansehen Rumäniens geschadet und durch ihren autoritären Führungsstil die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet. Die von Justizminister Tudorel Toader präsentierte Argumentation für ein Amtsenthebungsverfahren klingt wie eine Anklageschrift und Vorverurteilung zugleich. Einfach lächerlich.
Laura Codruta Kövesi, die furchtlose Leiterin der Antikorruptionsbehörde DNA, war in ihrer bisher fünfjährigen Amtszeit schon mehrmals Ziel verleumderischer Kampagnen. Die meisten Vorwürfe stammten von Personen, die selbst Probleme mit der Justiz haben. Doch die Attacken nahmen im vergangenen Jahr zu und wurden von der sozialdemokratisch geführten Regierung systematisch über gleichgeschaltete TV-Sender in alter Propaganda-Manier hochgeschraubt. Schnell wurde klar, dass die Angriffe nicht nur ihr persönlich, sondern vor allem dem funktionierenden Justizwesen und dem Rechtsstaat galten. Man sei Zeuge eines verzweifelten Festivals der Angeklagten, brachte es Kövesi selbst in ihrer jüngsten offiziellen Stellungnahme auf den Punkt.
Der Staatspräsident bleibt Hoffnungsträger der Empörten
Der liberale Staatspräsident Klaus Iohannis sieht es ähnlich: Eine Clique von Politikern mit strafrechtlichen Problemen wolle die Gesetze ändern, um den Rechtsstaat zu schwächen, unterstreicht er jedes Mal, wenn er auf die Vorgänge in seinem Land angesprochen wird. Seine Haltung ist der letzte Anker der zu Recht empörten Zivilgesellschaft, die seit einem Jahr regelmäßig zu Tausenden auf die Straße geht, um für die Unabhängigkeit der Justiz zu protestieren. Laut Verfassung kann nur der Präsident die DNA-Chefin abberufen. Aus seiner ersten Stellungnahme nach der Ankündigung des Justizministers kann man entnehmen, dass er genau dies nicht tun wird.
Warum dann das ganze Getöse, wenn für alle Beteiligten von Anfang an klar gewesen sein musste, dass eine Amtsenthebung der Staatsanwältin unwahrscheinlich ist? Warum diese Eile, wenn Kövesis zweites und letztes Mandat in diesem Amt ohnehin im nächsten Jahr ausläuft?
Eine Erklärung für die Torschlusspanik der Regierung dürften die Prozesse gegen den Chef der regierenden Sozialdemokraten (PSD), Liviu Dragnea, sein. Er ist bereits rechtskräftig wegen Wahlmanipulation verurteilt und darf deshalb nicht Regierungschef werden. Immerhin ist er Parlamentspräsident und kann unter dem Deckmantel des demokratischen Parlamentarismus mit seiner satten Mehrheit Gesetze gegen den Rechtsstaat auf den Weg bringen. Gegen ihn laufen zwei weitere Verfahren wegen Amtsmissbrauchs und Veruntreuung von EU-Geldern. Dragnea und seine Kumpanen fühlen sich von einem angeblichen "Parallelstaat" verfolgt - von Staatsanwaltschaft, Sicherheitsdiensten und dem Staatspräsidenten höchstpersönlich. Mit dem jüngsten Angriff gegen die Antikorruptionsbehörde erhofft er sich etwas Luft und Zeitgewinn. Eine von seiner Partei eingeleitete Pseudo-Reform des Justizwesens muss noch einige Hürden passieren und könnte noch in diesem Jahr trotz heftiger Kritik aus der EU-Kommission verabschiedet werden. Sie käme einem Persilschein für korrupte Politiker und Oligarchen gleich.
Dragnea muss seine anhaltende Stärke zeigen
Zum anderen muss Dragnea sich im März bei einem Sonderparteitag als starker Mann der PSD bestätigen lassen. Seinen partei-internen Kritikern, aber auch seinen Wählern muss er zeigen, dass er weiterhin das politische Geschehen in Rumänien kontrolliert: Auch wenn der Präsident letztendlich Kövesi nicht absetzt - er, Dragnea, habe alles getan, was möglich war. Und das sei allemal als Erfolg zu werten. Hat es diesmal nicht geklappt, würde es mit Sicherheit beim nächsten Mal funktionieren. Der "Parallelstaat" müsse doch besiegt werden können.
Die nächste Gelegenheit wird nicht lange auf sich warten lassen. Schon machen Nachrichten von einem Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Iohannis die Runde. Und aus dem Deutschen Bundestag werden Forderungen nach einer schnellen Reaktion aus Brüssel laut. Sollte es zu weiteren Angriffen auf die Unabhängigkeit der Justiz kommen, sei auch über die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Rumänien nach Artikel 7 des EU-Vertrages nachzudenken, heißt es in einem Brief des Vorsitzenden im EU-Ausschuss, Gunther Krichbaum. Rumänien hat es also endlich geschafft, neben Polen und Ungarn in die Top-3-Liste der EU-Sorgenkinder aufzusteigen. Ganz wie bei Olympia: Dabei sein ist zwar prinzipiell alles. Aber manchmal muss es auch Edelmetall geben. Höchste Zeit, dass Brüssel als Schiedsrichter endlich das notwendige Machtwort spricht!
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