Die jüngste Ausgabe der europäischen Video-Serie "Corona-Gipfel" macht etwas Hoffnung. Die 27 Staats- und Regierungschefs scheinen sich angesichts der gewaltigen Krise einig zu sein, ihren Streit um bisher ungeahnt hohe Summen nicht mehr so öffentlich auszutragen. Einigkeit soll stark machen. Ein Bekenntnis zur Solidarität soll die verunsicherten EU-Bürger, die Arbeitsplätze verlieren, um ihre Existenz fürchten und bald vielleicht kein Geld mehr für das Nötigste haben werden, beruhigen: "Schaut her, eure Regierungen kümmern sich, wollen ein Aufbauprogramm von einer Billion (1000 Milliarden) Euro auflegen!" Das soll die frohe Botschaft sein.
Und die ist angesichts des Komas, in das die Pandemiebekämpfer die Wirtschaft und Gesellschaft versetzt haben, auch nötig. Den starken Willen der 27 vorwärts zu gehen, betonte EU-Ratspräsident Charles Michel nach seinem vierten Corona-Video-Gipfel. An der Europäischen Union soll also nicht gerüttelt werden. Wütende Drohungen und Fragen der italienischen Regierung, wozu denn die EU überhaupt noch gut sein, wenn sie jetzt nicht hülfe, sind erst einmal verstummt.
Fester Wille, aber keine Einigung
Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte zeigte sich nach den kurzen Beratungen mit seinen Kolleginnen und Kollegen überraschend begeistert. Es gebe jetzt einen Aufbaufonds, der mit gemeinsamen europäischen Sicherheiten finanziert werden solle. Das wäre vor drei Wochen noch undenkbar gewesen, triumphierte Conte. Wenn er sich da mal nicht vertut. Für viele Regierungschefs sind gemeinsame Sicherheiten, Bonds oder Schulden auch weiterhin undenkbar.
Uneinig sind sich die Damen und Herren Chefs auch noch über die Frage, wie das Geld verteilt werden soll: Als direkter Zuschuss in die Staatskasse oder als Kredit, den man irgendwann zurückzahlen müsste. Deutschland tritt für Kredite ein, Frankreich ebenso wie Italien für Zuschüsse. Spanien kam mit der Idee, in der EU Schulden aufzunehmen, die man ewig nicht zurückzahlt. Beflügelt wurde die Fantasie vor allem durch die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass die Deutschen solidarisch sein werden und erheblich mehr in den gemeinsamen EU-Haushalt einzahlen wollen. Zahlen nannte sie wohlweislich nicht.
Für die EU-Staaten geht es nur zusammen
Die Stimmung war also gelöster. Das Ziel ist klarer, aber die Einzelheiten sind alle nicht entschieden, obwohl alle zur Eile mahnen. Nun soll die EU-Kommission innerhalb weniger Wochen ein politisches Wunder vollbringen und einen EU-Haushalt aufstellen, der als Grundlage für den großen Wiederaufbaufonds dienen soll. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits angedeutet, dass die EU-Staaten doppelt so viel wie bislang in diesen gemeinsamen Haushalt einzahlen müssen, statt 150 also 300 Milliarden Euro für zwei oder drei Jahre. Diesen Kapitalstock will sie dann mit Krediten auf 1000 Milliarden hebeln. Ob diese Summe dann als Kredit an die Corona-geschädigten Staaten weitergeben oder als Zuschuss verschenkt wird, ist unklar. Von der Leyen schwebt ein "Mix" vor, mit anderen Worten: Sie weiß es auch nicht.
Klar ist nur, dass die stärkeren EU-Staaten die schwächeren werden mitziehen müssen. Die Gewichte werden sich verschieben. Das Geld wird nicht mehr wie bisher in den Osten, sondern in den Süden fließen. Die Solidarität in der EU wird noch einige Härtetests aushalten müssen. Die Corona-Rechnung werden die Steuerzahler in den nördlichen EU-Staaten schultern müssen. Die Deutschen sind mindestens mit 25 Prozent dabei. Sie werden sich solidarisch zeigen müssen und sie verdienen deshalb den Dank der südlichen Staaten. Es geht nur zusammen. Alleine hätte keiner der EU-Staaten eine Chance. Die Wirtschaft ist im Binnenmarkt viel zu verflochten. Gemeinsam werden die EU-Staaten nun in das tiefe Loch der Rezession fallen, sie müssen gemeinsam wieder heraus krabbeln.