Man sollte eigentlich meinen, dass es in den vergangenen Wochen genügend Themen gab, die den ohnehin zu Sorgenfalten neigenden Deutschen emotional berühren könnten. Etwa der Dürre-Sommer, der eine Ahnung dessen vermittelte, was der Klimawandel noch so für uns bereit halten könnte. Oder die anhaltenden Ausfälle des US-Präsidenten gegen unsere schönen Autos (oder wie unsere Automobilmanager tricksen, damit die schönen Autos auch vorgeben, sauber zu sein). Oder zumindest die Flüchtlingsfrage - die geht doch eigentlich immer. Aber nichts da: Was uns Deutsche im Sommer 2018 wirklich berührte, war die Sommerzeit. Genauer gesagt, die Umstellungen unserer Uhren im Frühjahr und Herbst - also von MEZ zu MESZ und wieder zurück. An einer Umfrage der Europäischen Union, wie man dazu steht, nahmen 4,6 Millionen Menschen aus allen EU-Staaten teil, darunter allein drei Millionen aus Deutschland. Die Beteiligung war so hoch, dass zeitweise die Server zusammenbrachen.
Vor allem ein Problem der Deutschen
Schaut man sich diese Zahlen genauer an, gibt es zwei Erkenntnisse. Erstens: außerhalb Deutschlands interessiert das Thema eigentlich keinen Menschen, denn was sind 1,5 Millionen nichtdeutsche Teilnehmer gegenüber 430 Millionen nichtdeutschen EU-Bürgern? Eben: Es ist eine Beteiligung im Promillebereich. Und zweitens: Deutsche haben vor allem Angst um ihren Nachtschlaf. Denn in allen Umfragen wird die Gefahr, unmittelbar nach der Zeitumstellung entweder abends noch wach oder morgens noch müde zu sein, als besorgniserregend hoch erachtet. Der deutsche Michel, jene tranige Figur mit der Schlafmütze, die im 19. Jahrhundert als Archetypus des Deutschen galt, feiert somit traurige Urständ.
Es sind oft die gleichen Leute, die über die Zeitumstellung klagen und zu anderen Gelegenheiten begeistert von ihren Fernreisen erzählen. Menschen, die also keine Probleme haben, innerhalb von drei Wochen zweimal einen Jetlag zu überstehen, aber jammern, wenn die Uhr zweimal im Jahr um ein bescheidenes Stündchen vor- oder zurückgestellt wird. Das erinnert doch sehr an SUV-Fahrer, die sich über Feinstaub in den Städten aufregen.
Weil auch die schärfsten Kritiker des Uhrendrehens gerne abends im Biergarten sitzen und sich freuen, wenn es länger hell ist, wurde nun die abstruse Idee geboren, eine ganzjährige Sommerzeit einzuführen. Klar: Es wäre schön, wenn es im Winter nicht schon kurz nach dem Mittagessen dämmern würde - wie es das an trüben Tagen in der deutschen Hauptstadt tut. Aber dafür würde es bei einer permanenten Sommerzeit erst gegen halb zehn hell. Will man das wirklich? Fragen wir doch mal Lehrer, die jetzt schon darüber klagen, dass ihre pubertierenden Schüler in den ersten beiden Stunden maximal konzentrationsunfähig sind.
Eingebildete und wahre Probleme
Aber die Gesundheit leide unter der ständigen Zeitumstellung, werden die Kritiker jetzt einwenden. Die Zahl der Herzinfarkte, die doch steige! Die vielen Unfälle! Nach einer Studie des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag sind diese Folgen viel kleiner als ursprünglich befürchtet. Die Autoren fanden keine belastbaren Hinweise auf negative gesundheitliche Effekte.
Deswegen sollten wir uns das kleine Extra der Umstellung von Sommer- auf Normalzeit und umgekehrt weiter gönnen. Und uns lieber über die wahren Probleme in dieser Welt aufregen.
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