1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Patenschaften für Weißrusslands Oppositionelle

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
23. Juli 2020

Auch deutsche Politiker setzten sich vor der Präsidentenwahl in Weißrussland für bedrohte Oppositionelle ein. Das ist gerade dann wichtig, wenn die meisten Staaten auf die Corona-Krise schauen, meint Jens Thurau.

https://p.dw.com/p/3fhPv
Festnahmen von Protestanten in Weißrussland
Bild: Reuters/V. Fedosenko

Den "letzten Diktator Europas" nennen die Medien den weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko gern. Das klingt fast verharmlosend, wenn man an die Verstöße gegen Rechtsstaatlichkeit und die Gängelung von Oppositionellen selbst in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn oder Polen denkt.

Wir Journalisten bemühen ja stets Bezeichnungen wie "Autokraten", etwa für die Regierenden in Polen oder für Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban oder den Herrscher am Bosporus, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Klingt auch irgendwie schlimm, aber nicht ganz so schlimm wie "Diktator."

Aber Lukaschenko ist einer, ein Diktator. Am 9. August will er wiedergewählt werden, seine Wahl ist so gut wie sicher, seit 1994 regiert er Belarus mit eiserner Faust. Seinen aussichtsreichsten Konkurrenten, Viktor Babariko, hat er festnehmen lassen. Bei Protesten in der Hauptstadt Minsk sind in den letzten Tagen 1000 Menschen verhaftet worden. Nicht zuletzt wird dem Staatschef Versagen in der Corona-Pandemie vorgeworfen. Er hat die Gefahr der Pandemie schlicht geleugnet. Das hat er mit anderen Despoten wie dem Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, gemein. Objektive Gefahren von außen, die nur durch umsichtiges Handeln und internationale Kooperation gemeistert werden können, passen nicht zum Selbstbild solcher Herrscher.

Mehr als nur Symbolik

Deshalb ist es gut, wenn jetzt Parlamentarier in ganz Europa, so auch die deutschen Abgeordneten der Grünen, Margarete Bause und Manuel Sarrazin, Patenschaften für politische Gefangene in Weißrussland übernommen haben. Dass das nicht eine bloße symbolische, aber ansonsten wirkungslose Geste bleiben muss, zeigt der Fall des weißrussischen Sozialdemokraten Nikolai Statkewitsch, der bis 2015 schon einmal inhaftiert war, nach internationalen Protesten frei kam und nun wieder im Gefängnis sitzt. Bause hat die Patenschaft für den Oppositionellen übernommen.

Und auch die Bundesregierung zieht mit, hat ihre tiefe Sorge über einen fairen Ablauf der Wahl geäußert. Der Botschafter Weißrusslands in Berlin wurde zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten.

Die Patenschaften sind auch deshalb eine gute Sache, weil in Corona-Zeiten der Blick über die eigene Grenzen schwerer fällt als davor. Wenn etwa die Staaten der EU alle Mühen auf die Bekämpfung der Pandemie richten und gewaltige Hilfsprogramme auflegen, wie gerade geschehen, dann drohen andere Baustellen in den Hintergrund zu geraten. Ein gefundenes Fressen für Despoten und Autokraten, deren Handeln dann nicht so sehr im Fokus steht.

Druck von außen

Welche Möglichkeiten Deutschland aber tatsächlich hat, den bedrohten Menschen in Belarus zu helfen, darüber darf man sich keine Illusionen machen. Aber sollte nur einem Oppositionellen mit der Patenschaften-Aktion auch praktisch geholfen werden können, hätte sich der Aufwand schon gelohnt.

Margarete Bause hat Recht: Nur die Öffentlichkeit, so die deutsche Politikerin, könne die Bedrohten schützen. Und eine solche Öffentlichkeit gibt es in Weißrussland kaum, also muss das Ausland aufwachen. Sonst verschwinden Regime-Gegner wie Statkewitsch schlicht vom Radar. Und das wäre schlimm.

Morde von Minsk im Auftrag Lukaschenkos?