Papst Franziskus hat die katholische Kirche längst verändert. Seit seiner Wahl am 13. März 2013 herrscht im kirchlichen Milieu weithin eine neue, vielleicht noch zaghafte Offenheit. Aber wer die dunkle, bleierne Atmosphäre früherer Jahre erlebt hat, mag die Bedeutung dieses Umbruchs besonders ermessen.
Dabei hat der Papst "vom Ende der Welt", nüchtern betrachtet, mehr auf den Weg gebracht als bereits abgeschlossen. Aber man spürt, dass er sich - ausgesprochen jesuitisch - während seines ersten Jahres auf dem Stuhl Petri zu vielen Fragen ein Bild gemacht hat. Und dass er seitdem Akzente setzt, Dinge verändert und geradezu demonstrativ Beispiel geben will. Nicht jedes Wort gelingt ihm dabei - aber auch das gehört zu seiner Offenheit. Kirchenhistoriker späterer Generationen werden ihr akademisches Vergnügen daran haben.
Liberal, progressiv und konservativ zugleich
Wer den Lateinamerikaner nun mit liberal, progressiv oder auch "in gutem Sinne konservativ" abstempeln will, muss scheitern. Franziskus gehört nicht einem Lager allein. Er hat in diesen nun gut 45 Monaten deutliche Grenzen aufgezeigt - beiden Seiten. Beispiel hier: Mit kaum zu überbietender Klarheit erteilte er in diesem Frühjahr einer Weihe von Frauen, ja sogar einer Predigt von Frauen in Eucharistiefeiern eine Absage. Das hätte sein Vorgänger kaum klarer formulieren können. Beispiel da: Franziskus setzt mit der Enzyklika "Amoris Laetitia" einen neuen Standard der Verantwortung einzelner Seelsorger bei der Urteilsbildung und des ethisch verantworteten Handelns. Konkret geht es um die Teilnahme an der Eucharistie von nach Scheidung wiederverheirateten Katholiken. Barmherzigkeit, dieser Kernbegriff des Franziskus-Denkens, wird da ganz neu zu einem Maßstab kirchlichen Handelns.
Es ist beileibe kein Zufall, dass nun vier Vertreter des alten Stils, Kardinäle einer vermeintlich reinen Lehre, wie der Kölner Alt-Erzbischof Joachim Meisner und der emeritierte Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, gegen diese Auslegung zur Freiheit hin opponieren. Da schaukelt sich ein Konflikt hoch, bei dem es um das Grundverständnis von Kirche geht. Und Franziskus setzt auf eine Kirche, die näher an den Menschen ist und sich nicht nur an elitär herangezogenen Laien orientiert. "Mir ist eine 'verbeulte' Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist." Keinem Kritiker käme ein solches Franziskus-Wort über die Lippen.
Lässt sich die Kirche vom Papst anstecken?
Deshalb ist es falsch, allein auf Franziskus zu schauen und ihn als Motor einer Erneuerung zu feiern. Nein, dieser Papst weiß, dass es um eine Veränderung von Kirche, des Gesichts von Kirche geht, wenn sie denn den Menschen wieder näher sein will, wenn sie sich den Fragen von heute neu stellen will. Und bei dem ein oder anderen Satz merkt man, dass er dabei anspruchsvoll bleiben und gewiss nicht beliebiger werden will. Der Papst wird 80 an diesem Samstag. Die spannende Frage ist, ob und wie sich die Kirche anstecken lässt von seinem Mut, seinem - um ein aus der Zeit gefallenes Wort zu verwenden - Freimut. Freimut heißt Offenheit. Denn es geht nicht um Reformen unter Franziskus. Es geht um Reformen der Kirche. Nicht jeder Beitrag der Debatte zeigt, dass diese dafür bereit scheint.
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