Incirlik, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, ist für die deutschen Tornado-Aufklärungsflugzeuge „the place to be“. Besser kann man es also nicht haben. Und doch bestätigt das Ministerium, dass es auch andere Standorte gebe, von denen die deutschen Jets zu ihren Aufklärungsflügen nach Syrien und in den Irak starten könnten. Nicht mehr - aber auch nicht weniger. Zypern, von wo aus übrigens die Briten exzellente Aufklärungsarbeit leisten, und Jordanien werden genannt, auch griechische Stützpunkte wären gewiss eine Option.
Das Ministerium kann nur das tun, was der Bundestag beschließt. Aus sehr guten historischen Gründen ist die Bundeswehr eine Parlaments-Armee. Jeder Entsendung von Soldaten - und seien es nur acht Sanitätskräfte für irgendeine internationale Mission - haben die Abgeordneten zuzustimmen. Sie tun dies mit einer meist ausgesprochen deutlichen Mehrheit und müssen jeden Einsatz auch gegenüber der Bevölkerung, den Soldaten, deren Angehörigen rechtfertigen können. Genau deshalb wollten Parlamentarier, zum Beispiel, sehr rasch nach Beginn des Bundeswehr-Einsatzes 2002 die deutschen Soldaten in Afghanistan besuchen.
Tornado-Einsatz fraglich
So ist es mehr als verständlich, dass Abgeordnete nach Incirlik wollten und wollen. Ankara sagte bislang „nein“. Nun sind es längst nicht nur Vertreter der Opposition, die poltern. Auch der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold und der Unions-Obmann im Verteidigungsausschuss, Ingo Gädechens, erklären fast wortgleich: Sollte Ankara (in seinem Zorn über die Bundestags-Resolution zum Völkermord an den Armeniern und anderen Minderheiten vor hundert Jahren) weiterhin den deutschen Abgeordneten einen Besuch in Incirlik verweigern, wären die Tage dieses Tornado-Einsatzes gezählt. Ja, das wäre „die logische Konsequenz“. Dahinter steht eben übrigens ein Einsatz, dem die deutsche Seite, Regierung und Parlament, nach den blutigen Anschlägen in Paris im Herbst 2015 so rasch zugestimmt hat.
Und trotzdem bleibt ein merkwürdiges Gefühl angesichts mancher Äußerung von Sicherheits- und Verteidigungspolitikern - bis hin zum Gefasel von einer Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht. Gemeinhin sind Sicherheitspolitiker eher bedächtig argumentierende Akteure, ihre Debatten brodeln selten vor hitzigen Konflikten.
Deswegen ist es schon bemerkenswert, wie sehr Politiker jeder Fraktion nun das Thema Incirlik über die Medien spielen. Kippt Incirlik, wäre wohl auch der geplante Einsatz deutscher Awacs-Aufklärer ab Jahresende hinfällig, bevor er überhaupt begonnen hat. Schließlich sollen diese nur außerhalb des irakischen und syrischen Luftraums agieren. Kippt Incirlik, geht es gewiss auch um die Frage deutscher Präsenz auf Nato-Stützpunkten in der Türkei. Deutschland steht da in einer Bündnistreue - die Türkei auch. Es geht dann um sehr grundsätzliche Fragen.
Warten auf Merkels außenpolitische Grundsatzrede
Am 6. September nimmt der Bundestag auch im Plenum wieder seine Arbeit auf. Dann geht es vier Tage lang um den nächsten Bundeshaushalt. Aber eigentlich geht es da immer um alles. Sowohl bei der „Generaldebatte“ zum Etat des Kanzleramts als auch beim Einzelplan 14, dem Budget des Verteidigungsministeriums, muss die Rede auf das deutsche Engagement im Kampf gegen den Terror und die deutschen Tornados in Incirlik kommen -und auf die Bedeutung des deutschen Parlaments für Auslandseinsätze deutscher Soldaten.
Unmittelbar vor diesem 6. September ist die deutsche Kanzlerin beim zweitägigen G20-Gipfel in China. Dort sieht sie, zum ersten Mal nach dem Putschversuch in der Türkei, auch Erdogan. Erneut, wie beim Treffen der beiden beim Warschauer Nato-Gipfel Anfang Juli, dürfen die Abgeordneten eins erwarten: Dass Merkel mit dem türkischen Präsidenten klärende Worte spricht, über die Rolle des deutschen Parlaments, über dessen Freiheit.
Und sollte es keine Klärung geben, steht die Kanzlerin bei ihrer Debatte vor den Parlamentariern in der Pflicht. Aber so oder so wird sie auch außenpolitisch an diesem Tag eine besondere Rede in einer Generaldebatte halten müssen.
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