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Politik

Obamacare light?

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Miodrag Soric
4. Mai 2017

Die Republikaner im US-Repräsentantenhaus stimmten einem Gesetzesentwurf von Präsident Trump zu, der die unter seinem Vorgänger verabschiedete Krankenversicherung in Teilen abschaffen soll. Miodrag Soric kommentiert.

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USA Proteste gegen Trumps Gesundheitsreform
Bild: Reuters/K. Lamarque

Jeder Amerikaner soll über sein eigenes Schicksal bestimmen. Mit diesen Worten warb der Sprecher des Repräsentantenhaus, Paul Ryan, für die Reform von "Obamacare". Und tat so, als ob Amerikas Bürger bedroht seien, von Washingtons Bürokraten fremdbestimmt zu werden. Aber das ist Unfug: In Wirklichkeit bricht wieder ein Stück Solidarität der Gesellschaft mit denjenigen weg, die sich selbst nicht mehr helfen können.

"Trumpcare", wie der republikanische Gesetzesentwurf genannt wird, bedeutet, dass sich der Staat weiter zurückziehen will. Millionen von Amerikanern könnten ihre Versicherung verlieren - allen gegenteiligen Beteuerungen der Republikaner zum Trotz. Angeblich sollen Amerikaner mit Vorerkrankungen oder chronischen Leiden weiter versichert bleiben. Unklar bleibt aber, woher dafür das Geld kommen soll.

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US-Korrespondent Miodrag Soric

Noch ist der republikanische Gesetzentwurf kein Gesetz. Der Senat muss ihm noch zustimmen. Zuvor wird das Oberhaus weitere Veränderungen vorschlagen. Der Verhandlungsmarathon geht also weiter, kann Monate dauern. Aus der Sicht von Donald Trump war die Abstimmung im Repräsentantenhaus dennoch ein Erfolg: Seit sieben Jahren geloben Republikaner, "Obamacare" abschaffen und durch etwas Besseres ersetzen zu wollen. Entsprechende Versuche scheiterten bislang. Die jetzige Abstimmung im Repräsentantenhaus signalisiert, dass Republikaner unter dem Präsidenten Trump handlungsfähig sind, dass sie regieren können.

Ein Etappensieg

Dieser Erfolg wird der Partei Mut machen. In Washingtons Hinterzimmern wird nun mit noch mehr Druck an einer Steuerreform gearbeitet, die Wohlhabende weiter entlasten soll. Wall Street wird es freuen. Niedrigere Steuer- und Sozialausgaben bedeuten höhere Aktienkurse. Oder wie es ein Broker zynisch schlussfolgerte: Die Börse ist kein Sozialamt.

Der Abstimmungserfolg im Repräsentantenhaus wird dafür sorgen, dass sich Trump und der Sprecher des Repräsentantenhauses in Zukunft besser verstehen werden. Paul Ryan hat dem Präsidenten den ersten "legislativen Erfolg" beschieden. So etwas verbindet. Alle Spekulationen über die mögliche Ablösung des Sprechers in Washington sind verstummt.

Muss sich das Ausland mit der amerikanischen Gesundheitsreform, mit den inner-amerikanischen Querelen überhaupt befassen? Auf jeden Fall. Sie sind ein Hinweis auf das Machtgefüge in der US-Hauptstadt. Lange fremdelten die Republikaner mit diesem Präsidenten. Jetzt folgen sie ihm. Das stärkt auch Trumps Stellung in der Welt. Andererseits: Der Abbau von Sozialausgaben in Amerika ist Besorgnis erregend. Was können ärmere Nationen von Washington erwarten, wenn die Regierung sich aus der Verantwortung gegenüber den Schwächsten im eigenen Land stiehlt?