Kommentar: Noch hält der Konsens
19. Juli 2012Manchmal ist ein einzelnes Wort bezeichnend. Nicht von Schuldenkrise sprach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, nicht von Eurokrise, auch nicht von Bankenkrise. Er sprach von Vertrauenskrise. Seine Argumentation: Die Finanzmärkte bezweifeln, dass es dem spanischen Staat gelingen kann, seine Bankenkrise zu lösen, ohne die eigene Zahlungsfähigkeit zu gefährden. Wären die Märkte nicht so extrem verunsichert, so wäre Spanien in der Lage, seine Banken alleine zu stabilisieren, meint Schäuble.
Deshalb müsse man Spanien ermöglichen, seine erfolgversprechenden Reformen weiter voranzutreiben. Das, so Schäuble, sei im eigenen deutschen Interesse. Tue man das nicht, drohe das Misstrauen auf weitere Länder überzugreifen und am Ende sogar Deutschland mit in den Strudel zu reißen.
Ziel aller Maßnahmen ist es Schäuble zufolge, Ländern wie Spanien bei der Wiedergewinnung des Vertrauens der Finanzmärkte zu helfen, damit sie sich wieder zu annehmbaren Konditionen selbst finanzieren können. Wie groß die Fortschritte auf diesem Weg bereits seien, zeige sich daran, dass sich im Fiskalpakt 25 der 27 EU-Länder zu einer Schuldenbremse nach deutschem Muster bereit erklärt haben. Hat Schäuble recht, so ist Europa auf gutem Weg, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen.
Fass ohne Boden?
Es gibt aber noch eine andere Vertrauenskrise, und die verschärft sich. Das Vertrauen der Bürger schwindet zusehends, dass die immer neuen Rettungsmaßnahmen tatsächlich helfen. Ihre Sorge wächst, dass ihre Steuergelder in ein Fass ohne Boden fließen.
Die Opposition warf der Regierung jetzt im Bundestag vor, sie schenke der Bevölkerung keinen reinen Wein ein. Damit bestärkt sie dieses Misstrauen im Volk ebenso wie Bundespräsident Gauck mit seiner Aufforderung an Bundeskanzlerin Merkel, die Euro-Rettung besser zu erklären. Doch besser als die Bundeskanzlerin in zwei Regierungserklärungen vor und nach dem EU-Gipfel Ende Juni und Finanzminister Schäuble in seiner Regierungserklärung jetzt lässt sie sich kaum erklären. Schließlich weiß niemand, wie sich die Dinge weiter entwickeln, auch die Regierung nicht. Also schwindet das Vertrauen weiter.
Die Politiker spüren dieses wachsende Misstrauen zuhause in ihren Wahlkreisen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wenn man die Bundestagsdebatte über die Spanienhilfe verfolgt hat, so konnte man streckenweise den Eindruck gewinnen, dass die Stimmung zwischen Opposition und Regierungslager gereizter geworden ist. Es ist der Opposition hoch anzurechnen, dass sie sich von dieser Stimmung bisher nicht mitreißen lässt und in staats- und europapolitischer Verantwortung handelt.