Kommentar: Neuwahlen klären Verhältnisse im Bundestag
23. Mai 2005Deutlicher konnte das Ergebnis kaum ausfallen - die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist klar abgewählt worden, CDU und FDP werden die nächste Landesregierung stellen. Die Meinungsumfragen hatten dieses Resultat schon länger vorhergesagt. Und so wird die SPD nach 39 Jahren erstmals nicht den Ministerpräsidenten in Düsseldorf stellen. Ein Desaster für die Sozialdemokraten, die NRW als ihr Stammland betrachten. Und einmal mehr müssen sich bei der Ursachensuche die Blicke nach Berlin richten.
Denkzettel für Berlin
Denn natürlich sind es vor allem die hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland, die die Wähler vergrault haben, natürlich ist es die anhaltend hohe Staatsverschuldung, die sie verschreckt, natürlich sind es die Probleme in den Sozialsystemen, die sie verstören. Die Antworten aus Berlin, die Agenda 2010, boten nicht zuletzt soziale Einschnitte, die den Menschen einiges abverlangen. Und so setzte sich an Rhein und Ruhr das fort, was sich schon bei vorhergehenden Landtagswahlen zeigte. Am NRW-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück hat das schlechte Abschneiden der SPD jedenfalls am wenigsten gelegen. Und umgekehrt liegt das sehr gute Abschneiden der CDU auch nicht so sehr an der Unwiderstehlichkeit ihres Spitzenkandidaten und neuen NRW-Regierungschefs Jürgen Rüttgers.
Und in diese Situation hinein streben SPD-Chef Franz Müntefering und Bundeskanzler Gerhard Schröder Neuwahlen des Bundestages an. Das kann man mutig nennen. Denn derzeit spricht wenig dafür, dass bei Neuwahlen die rot-grüne Bundesregierung bestätigt wird. Gewiss ist nur, dass Neuwahlen zum Bundestag die Verhältnisse klären werden. Sie werden entweder den Kanzler bestätigen und damit auch innerparteilich enorm stärken, oder der SPD eine Schlappe verschaffen. Jedenfalls bieten Neuwahlen der SPD die Aussicht, die eigenen Reihen geschlossen zu halten.
Denn ein laufender Bundestagswahlkampf ist nicht die Zeit, die internen Konflikte auszutragen, die der SPD nach dem Wahldesaster in NRW ansonsten gewiß bevor gestanden hätten, inklusive dem Versuch, den Kanzler zu demontieren oder zum Kurswechsel zu veranlassen. Neuwahlen sind also durchaus eine Flucht nach vorne, allerdings eine, die Chancen bietet.
Nur Merkel kann Kanzlerkandidatin werden
Für die CDU/CSU gilt es nun, bald einen Kanzlerkandidaten zu benennen. Und nach dem Stand der Dinge kann das nur die CDU-Vorsitzende Angela Merkel sein. Eventuellen internen Konkurrenten bleibt in den möglicherweise nur noch wenigen Monaten bis zur Bundestagswahl kein Raum mehr, sich gegebenenfalls in Stellung zu bringen. Und auch wenn sich die Union für Wahlen und eine mögliche Regierungsübernahme gut gerüstet gibt, manche Konflikte zwischen CDU und CSU werden ungelöst bleiben.
Neue Fragen stellen sich auch für Grüne und FDP. In NRW haben die Grünen leichte Verluste hinzunehmen. Das ist der Partei schon länger nicht passiert und erklärt sich auch aus der zugespitzten Personalisierung zwischen Steinbrück und Rüttgers. Eine solche Personalisierung ist freilich auch bei der Bundestagswahl zu erwarten - kein gutes Vorzeichen für die Grünen, die zudem mit einem durch die Visaaffäre angeschlagenen Außenminister Joschka Fischer ins Rennen gehen müssten. Ein Faktor, der den Grünen auch in NRW geschadet haben dürfte.
Die FDP hatte in NRW klare Verluste hinzunehmen. Bemerkenswert, aber für die Liberalen muß das nicht wirklich beunruhigend sein. Denn es ist eher so, dass die FDP in NRW vor fünf Jahren ein außerordentlich gutes Ergebnis erreicht hatten und nunmehr auf ihr Normalmaß reduziert wurde. Sie werden an der Seite Jürgen Rüttgers´ in die Landesregierung eintreten und sich angesichts möglicher Bundestagswahlen gerade im bevölkerungsreichsten Bundesland profilieren müssen.
Die Abwahl der letzten rot-grünen Landesregierung in NRW, die Landtagswahl in diesem wichtigen Bundesland hatte ganz konkrete bundespolitische Folgen. Denn Neuwahlen des Bundestages sind eine direkte Folge, die das Ergebnis in NRW in den Hintergrund rücken werden.