Kommentar: Netanjahu in der diplomatischen Sackgasse
7. April 2015Die sieben Tage des jüdischen Pessachfestes sind im politischen Leben Israels gewöhnlich eher ruhige Tage - ähnlich wie die Ostertage in der deutschen Politik. Nicht so in diesem Jahr. Der israelische Ministerpräsident kommt auch über die Feiertage nicht zur Ruhe. Er ist in tiefer Sorge um die Sicherheit seines Landes, denn er fürchtet, dass der sich abzeichnende Atomdeal mit dem Iran die Existenz Israels ganz unmittelbar bedrohe. Darum bemüht er sich, das Rahmenabkommen zu Fall zu bringen. Er versuche, ein schlechtes Abkommen zu "killen", erklärte Benjamin Netanjahu in den zahlreichen Interviews, die er am Wochenende einer Reihe von US-Fernsehsendern gab. Dabei wirkte er gestresst, aufgebracht und aggressiv. Wenn die Sanktionen gegen Teheran aufgehoben würden und dem Iran gestattet werde, einige seiner nuklearen Kapazitäten zu bewahren, werde dies ein atomares Wettrüsten in der Region auslösen, prophezeite Netanjahu. Ein Naher Osten, der mit nuklearen Fallstricken durchzogen sei, stelle für die ganze Welt einen Albtraum dar.
Atomares Wettrüsten im Nahen Osten
In der Tat: Ein atomar aufgerüsteter Naher Osten wäre ein ungeheuer bedrohliches Szenario, nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt. Man möchte sich nicht vorstellen, was Diktatoren, die sich nur mit Gewalt und Unterdrückung an der Macht halten können, mit solchen Waffen anrichten könnten. Und noch weniger möchte man sich ausmalen, was geschähe, wenn eine der mörderischen Terrororganisationen spaltbares Material in die Hände bekäme oder gar den Schlüssel zu den möglichen nuklearen Arsenalen eines gestürzten Herrschers.
Für das kleine Israel, das sich als demokratischer Vorposten des Westens in einer feindlichen und unbarmherzigen Umgebung sieht - als Villa im Dschungel, wie es der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Barak einmal ausdrückte - ist das wirklich ein Albtraum, der einem den Schlaf rauben könnte.
Doch ein solches Szenario will das Rahmenabkommen mit dem Iran ja gerade verhindern. Allein die friedliche Nutzung der Atomenergie soll dem Iran erlaubt sein. Der israelischen Regierung reicht dies jedoch nicht. Sie verlangt, dass Teheran Israels Existenzrecht anerkennen müsse, eine Forderung, die US-Präsident Barack Obama bereits zurückgewiesen hat. Mit seiner konfrontativen Haltung steht Netanjahu auf dünnem Eis. Immerhin ist Israel der einzige Staat im Nahen Osten, der über Atomwaffen verfügt - bis zu 300 Nuklearsprengköpfe sollen in seinen Arsenalen lagern. Genau weiß man es nicht, denn Jerusalem ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten und erlaubt keine unangemeldeten Inspektionen seiner Nuklearanlagen. Damit aber hat Israel erst die Grundlage für das atomare Wettrüsten geschaffen, das es nun zu stoppen versucht.
Eine politische Wende ist notwendig
Es wäre darum an der Zeit, einen anderen politischen Weg einzuschlagen und auf Kooperation und Verständigung mit den Nachbarn zu setzen. Immerhin sind auch andere Staaten in der Region in Sorge vor einem nuklearen Iran. Mit ihnen sollte sich Jerusalem verständigen und verbünden. Allein gegen alle, als Villa im Dschungel, hat Israel keine Überlebenschance im Nahen Osten. Schon gar nicht, wenn im Keller dieser Villa unterdrückte und verzweifelte Nachbarn eingepfercht sind, die gegen den Hausherrn rebellieren. Darum sollte die israelische Regierung umsteuern und zuerst und so schnell wie möglich den Konflikt mit den Palästinensern lösen. Das ist die Voraussetzung für ein Ende der fortschreitenden diplomatischen Isolation des Landes. Daneben aber sollte Netanjahu den Konfrontationskurs gegen die USA einstellen und zu der guten und engen Kooperation mit Washington zurückfinden, die frühere Regierungen gepflegt hatten. Der Atomdeal mit dem Iran wäre ein guter Anlass dafür. Anstatt ihnen Steine in den Weg zu legen, sollte Israel es begrüßen, dass sich die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrats und Deutschland so intensiv um eine Entschärfung der iranischen Bedrohung kümmern - auch und nicht zuletzt der Sicherheit Israels wegen. Seine hektischen Versuche, das Abkommen zu torpedieren, sind beleidigend für die USA und die anderen Partner Israels in den Verhandlungen. Vor allem aber sind sie schädlich für sein Land.
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