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Nazis lassen sich nicht verbieten

Marcel Fürstenau8. Dezember 2015

Sollte die rechtsextreme NPD verboten werden, wäre das kaum mehr als ein symbolischer Sieg. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sitzen tiefer. Der braune Ungeist hat viele Namen und Gesichter, meint Marcel Fürstenau.

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"no npd" stehtr auf einem Preotestfähnchen während einer Demostrationen gegen die rechtsradiakle Partei
Bild: picture-alliance/dpa/A. Franke

Niemand behauptet, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands ungefährlich ist. Ob sie aber - im krassesten Widerspruch zu ihrem Namen - eine große Gefahr für die Demokratie darstellt, darüber streiten die Experten seit Jahren. Ein Blick in die deutschen Parlamente lässt im Moment eher das Gegenteil vermuten: Nur im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sitzen überhaupt noch NPD-Abgeordnete.

Das war schon mal anders: Ende der 1960er-Jahre scheiterten die Rechtsextremen nur knapp an der Fünf-Prozent-Sperrminorität für den Einzug in den westdeutschen Bundestag. Damals war die Bundesrepublik nicht einmal ansatzweise ein Einwanderungsland. Es gab keine Flüchtlingskrise. Materiell ging es den Westdeutschen gut. Trotzdem war die NPD so erfolgreich wie nie.

Sichtbarer Rassismus ist Konjunkturschwankungen unterworfen

Ein mögliches Verbot stand trotzdem nicht auf der Tagesordnung. Das wäre aber wohl der Fall gewesen, hätte es einen ähnlich sichtbaren Rassismus wie heute gegeben. Oder so, wie nach der Wiedervereinigung in ganz Deutschland ausländerfeindliche Exzesse zu beklagen waren. Im Osten wurden und werden diese oft als Folge des diktatorischen DDR-Regimes gedeutet. Da wird was dran sein. Immerhin fehlt(e) zwei staatlich-autoritär erzogenen Generationen das Rüstzeug für einen selbstbewussten Umgang mit der neuen Freiheit. Die ja außerdem für viele zunächst auch nur Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit bedeutete.

Das war und ist jederzeit der ideale Humus für rechte Ideologen, die bei den Enttäuschten mit einfachen Botschaften auf Stimmenfang gehen. Wie schnell und wie simpel das funktioniert, lässt sich seit gut einem Jahr bei den selbsternannten "Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) beobachten. Es bedurfte schon der sich seit Sommer zuspitzenden Flüchtlingskrise, um dieser abflauenden Bewegung neues Leben einzuhauchen. Mit radikaleren Parolen und Gesten als in der Anfangszeit. Dass die NPD versucht, bei Pegida anzudocken, ist aus ihrer Perspektive nur logisch und konsequent.

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Das Beispiel zeigt, wie fließend die Übergänge sein können. Rechtsextremen wird es immer gelingen, gesellschaftliche Anknüpfungspunkte zu finden oder in anderen Organisationsformen aktiv zu werden. Ein Verbot der NPD würde also lediglich dazu führen, eine Gefahr zu verdrängen - im doppelten Sinne des Wortes. Die Gesellschaft könnte geneigt sein, das Thema aus Bequemlichkeit abzuhaken. Nach dem Motto: NPD weg, Problem gelöst. Aber überzeugte Nazis lassen sich nicht verbieten. Sie bleiben aktiv. Notfalls illegal und mordend, wie der Nationalsozialistische Untergrund zeigt.

Ohne den NSU hätte es keinen NPD-Verbotsantrag gegeben

Der 2011 aufgeflogene NSU war letztlich Auslöser für die neuerliche NPD-Verbotsforderung. Angesichts der abscheulichen Verbrechen - zehn Morde, mehrere Bombenanschläge - war die Reaktion verständlich. Als Argument willkommen war der Umstand, dass sich im NSU-Prozess neben der Hauptangeklagten Beate Zschäpe auch der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord verantworten muss. Den Nachweis liefern zu können, die rechtsradikale Partei sei so etwas wie der legale Arm des NSU, bleibt aber eine Illusion. Geistige Brandstiftung muss gesellschaftlich sanktioniert werden. Juristisch wird man dieses Phänomen aber nicht in den Griff bekommen.

Dies und andere Bedenken dürften auch der entscheidende Grund dafür gewesen sein, dass der neuerliche NPD-Verbotsantrag dieses Mal nur von den 16 Bundesländern gestellt wurde. Beim ersten, 2003 gescheiterten Anlauf waren auch der Bundestag und die Bundesregierung dabei. Den übrig gebliebenen Antragstellern ist zu wünschen, dass ihre beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Beweise für ein Verbot reichen. Anderenfalls könnte sich die NPD als verfolgte Unschuld aufspielen, die sie nicht im Entferntesten ist. Diese Partei ist offen rassistisch und tendenziell gewaltbereit. Dafür finden sich im Programm und bei öffentlichen Auftritten ausreichend Belege.

Rechte Gesinnung gibt es auch jenseits der NPD

Trotzdem wäre ein NPD-Verbot kaum mehr als ein Symbol. Eine wehrhafte, selbstbewusste Demokratie muss vor allem den alltäglichen Rassismus bekämpfen. Und dabei gibt es noch viel zu tun. Daran erinnern seit Monaten brennende Flüchtlingsheime, aber auch die regelmäßig in Umfragen ermittelte weit verbreitete rechte Gesinnung in Deutschland.

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