NATO-Gipfel in Trumps Paralleluniversum
Man muss einfach noch einmal zusammenfassen, wie sich Donald Trump bei diesem NATO-Gipfel aufgeführt hat. Am Morgen beim Frühstück fiel er in hemmungsloser Weise über Deutschland her, erklärte es wegen seiner Energieimporte zu einem Gefangenen Russlands und benutzte zum Beleg wie üblich falsche Zahlen. In der Plenarsitzung dann forderte er plötzlich vier Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigungsausgaben statt der zugesagten zwei. Kurz darauf sprach er bei einem bilateralen Treffen mit Angela Merkel über deutsche Autos, Migration und Russlands Präsident Putin und nannte das beiderseitige Verhältnis großartig. Eine Stunde später auf dem Weg zum Abendessen aber war der Burgfriede wieder vorbei und er schlug per Tweet erneut auf die Bündnispartner ein.
Politische Achterbahnfahrt des US-Präsidenten
Die völlig widersprüchlichen Botschaften, die der US-Präsident innerhalb eines Tages aussendet, sind mit Kriterien des normalen politischen Umgangs längst nicht mehr zu erfassen. Trump irrlichtert durch das wichtigste Treffen des westlichen Bündnisses, als ob er abwechselnd den bösen und den guten Helden im Theater spielen würde. Erst beleidigt er Deutschland, dann bestellt er nur Stunden später der Bundeskanzlerin Grüße von seiner Familie. Es fällt schwer, angesichts dieser Szenen nicht Begriffe aus der Psychiatrie zu verwenden.
Denn damit war es noch nicht genug. Nach dem Ende der offiziellen Gespräche schoss Trump den nächsten Tweet ab, erneuerte darin den Vorwurf wegen der deutschen Energieimporte aus Russland und verknüpfte ihn mit der NATO. Genauso wie er den Schutz Europas durch die USA mit angeblichen Milliardenverlusten beim Handel verbindet. Und schließlich verlangte er ultimativ, die zwei Prozent für Rüstungsausgaben müssten sofort und nicht erst wie geplant 2024 gezahlt werden.
Der Eindruck bleibt an dieser Stelle, dass Trump nicht zu begreifen scheint, dass es bei der NATO nicht um Mitgliedsbeiträge wie im Fitness-Club geht. Es gibt keine Gemeinschaftskasse, jedes Land zahlt für seine eigene Verteidigung und stellt die militärischen Fähigkeiten bei Bedarf dem Bündnis zur Verfügung. Aber er lebt in seinem Paralleluniversum und benimmt sich eher wie ein Mafioso, der von Tür zu Tür geht um Schutzgeld einzutreiben und den Unwilligen mit Prügeln droht.
Die Nato ist ein Bündnis, keine private Sicherheitsfirma
Neben der Launenhaftigkeit, der viel beklagten Unberechenbarkeit und dem geradezu heimtückisch wechselhaften Benehmen des US-Präsidenten gegenüber seinen Verbündeten wird deutlich, dass er auch militärische Sicherheit für ein Ware hält, die einen Marktwert hat und käuflich ist. Er möchte offenbar dafür bezahlt werden, dass die USA Truppen in Europa stationieren und ihre Waffen für die Sicherung der NATO-Ostgrenze einsetzen. Dabei ist das Wort "Verbündete" in diesem Zusammenhang schon falsch, denn das Konzept scheint ihm fremd. Trump kennt nur Geschäftspartner und das Geld in der eigenen Kasse. Und er sieht sich in einem globalen Kampf der Starken, bei dem es gleichgültig ist, wenn Schwächere unter die Räder kommen. Nicht ohne Grund sind die baltischen Staaten oder Norwegen von den Äußerungen Trumps inzwischen tief verunsichert.
Der Ernstfall ist bei diesem NATO-Treffen zunächst ausgeblieben, denn der Präsident hat davon abgesehen, das Bündnis direkt infrage zu stellen oder gleich beim Rausgehen die gemeinsame Erklärung zu zerreißen. Apokalyptische Ängste, Trump könnte die NATO hier einfach für beendet erklären, haben sich nicht bewahrheitet. Aber es gibt überhaupt keinen Grund zur Beruhigung, denn schon morgen kann alles ganz anders sein.
Er bleibt tiefe Verunsicherung
Die politische Achterbahnfahrt von Donald Trump hinterlässt bei der NATO tiefe Spuren, denn man beginnt jetzt zu begreifen, was er wirklich vom westlichen Bündnis hält. Werte, Traditionen oder die gemeinsame Geschichte haben für den US-Präsidenten keinerlei Bedeutung. Er ist jederzeit imstande, mit dem nächsten Tweet seine Zusagen vom Vortag zurück zu nehmen, Alliierte zu beleidigen oder sie durch wirtschaftliche Strafaktionen zu erpressen, wie er es Deutschland bei den Autoexporten androht.
Bei alledem steckt hinter dem irren Zickzackkurs Methode. Trump hat in Brüssel einmal mehr gezeigt, dass er tatsächlich daran arbeitet, das System der internationalen Verträge und Organisationen nach besten Kräften zu zerschlagen. Nur scheint es ihm wohl noch etwas zu früh, der NATO den Rücken zu kehren. Ihr Ende könnte vielleicht nur aufgeschoben sein. Denn ob Welthandelsorganisation oder Vereinte Nationen - der Präsident will sie durch bilaterale Abkommen ersetzen, in denen er der Stärkere ist. Was bleibt, ist das Entsetzen über den Kurs der US-Regierung und eine tiefe Verunsicherung bei allen, die sich bislang für seine Bündnispartner hielten.
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