Kommentar: Abschreckung per Gesetz
13. November 2015Natürlich hat auch dieses Anti-Doping-Gesetz Schwachpunkte. Ein perfektes Gesetz kann es gar nicht geben. Das liegt in der Natur der Sache, die höchst komplex und vielschichtig ist. Schneller, höher, weiter - dieser Dreiklang des Sports wurde schon in der Antike von Misstönen begleitet. Der Lorbeerkranz für den Sieger krönte auch damals oft das Haupt eines Betrügers. Und die Versuchung, durch manipulierte Leistungen Ruhm und Reichtum zu mehren, ist im kommerzialisierten Profi-Zirkus der Moderne größer denn je. Gefallene Engel wie die Radfahrer Jan Ullrich und Lance Armstrong stehen beispielhaft für die Auswüchse eines korrupten Systems, das den Sport über Jahrzehnte in Verruf gebracht hat.
Dieses Kartell aus Leistungs- und Profisportlern, Medizinern und Dealern muss in Deutschland bei strenger Auslegung des Gesetzes künftig mit weitaus höheren Geld- und Gefängnisstrafen rechnen. Erstmals riskieren auch Sportler einen Aufenthalt hinter Gittern. Der kann in besonders schweren Fällen bis zu drei Jahre dauern. Diese Verschärfung ist ein Paradigmenwechsel, der mehr Chancen als Gefahren birgt. Befürchtungen mancher Sportler, schon der Besitz einer verbotenen Substanz könnte das Ende der Karriere bedeuten, sind übertrieben. Dem Athleten muss nämlich eine konkrete Dopingabsicht nachgewiesen werden, um ihn strafrechtlich belangen zu können. Das wird nur gelingen, wenn jemand ein riesiges Arsenal von Spritzen und Medikamenten in seiner Wohnung hortet oder sogar in flagranti erwischt wird.
Der Fall Pechstein hat die Sinne geschärft
Anabolika-Pillen in einer Trainingstasche, womöglich in böser Absicht von Unbekannten dort deponiert, hätten keine Sanktionen zur Folge. Und das ist auch gut so. Wohin zu viel Argwohn und zu wenig juristische Sorgfalt führen können, dafür steht der Fall Claudia Pechstein. Die mehrfache Eisschnelllauf-Olympiasiegerin wurde wegen auffälliger Blutwerte gesperrt. Mit Hilfe von Medizinern konnte sie jedoch nachweisen, dass es sich bei ihr um eine familiär bedingte Veranlagung handelte. Eine außergewöhnlich erfolgreiche Sportlerin traf also der Bannstrahl von Funktionären, die im Übereifer ein abschreckendes Exempel statuieren wollten. Der rechtsstaatliche Grundsatz, im Zweifel für die Angeklagte, wurde sträflich missachtet.
Für Pechstein kann es nur ein kleiner Trost sein, dass sie in der Sache selbst inzwischen rehabilitiert ist. Die unberechtigte Dopingsperre brachte sie in Verruf, um eine Olympia-Teilnahme und um Geld. Als vermeintliche Betrügerin war sie für Sponsoren tabu. Das Schicksal der Berlinerin dürfte aber auch die Sinne für das nun vom Bundestag verabschiedete Anti-Doping-Gesetz geschärft haben. Die Täter im Schatten der falschen Helden setzen sich noch größeren strafrechtlichen Bedrohungen aus. Bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug müssen jene befürchten, die mit dem Handel und der Verabreichung von Dopingmitteln mitunter weit mehr Geld verdienen als die manipulierten Sportler.
Deutschland folgt dem Vorbild anderer Länder
Ein Strafmaß in dieser Dimension sollte seine beabsichtigte abschreckende Wirkung nicht verfehlen. Schließlich gefährden gewissenlose Mediziner und Dealer die Gesundheit oder sogar das Leben vieler junger Menschen. Natürlich wird der Sport mit Hilfe des jetzt in Kraft getretenen Gesetzes nicht dopingfrei werden. Aber von Deutschland geht das politische Signal aus, es mit der Dopingbekämpfung ernster zu nehmen. Damit folgt man dem Vorbild von Ländern wie Spanien, Schweden, Italien und Dänemark. Dieses Quartett ist in Europa Vorreiter im Engagement für einen sauberen Sport. Sollten künftig weniger Dopingsünder überführt, aber auch weniger Medaillen bei internationalen Wettkämpfen gewonnen werden, sollten wir nicht traurig sein. Lieber ehrlich Silber gewinnen als unehrlich Gold.
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