Kommentar: Medwedjews Worten müssen Taten folgen
6. Juni 2008Der erste Staatsbesuch des neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedjew in Deutschland stand ganz im Zeichen der Kontinuität in den deutsch-russischen Beziehungen. Medwedjew und die deutsche Bundeskanzlerin Merkel wiederholten die bekannten Standpunkte in den bilateralen und internationalen Fragen: Medwedjew kritisierte eine mögliche NATO-Erweiterung in Osteuropa und das geplante US-Raketenabwehrsystem. Zudem forderte er wie sein Vorgänger Putin eine stärkere Marktöffnung Deutschlands und Europas für russische Investitionen. Gemeinsam hoben Medwedjew und Merkel die große Bedeutung des jeweils anderen Landes für die Wirtschaftsbeziehungen hervor. Und so verteidigten sie auch die geplante Ostsee-Pipeline und versprachen, Vorbehalte in anderen Ostseeländern gegen dieses Projekt ausräumen zu wollen. Beide hofften auf einen weiteren Ausbau der Beziehungen - insbesondere durch ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Russland und der Europäischen Union.
Kontinuität mit neuem Gesicht und sanfter Rhetorik
In der Sache gab es also nichts wesentlich Neues. Die Botschaft des Besuches von Medwedew lautete Beständigkeit in der russischen Politik und Stabilität in den deutsch-russischen Beziehungen. Letztendlich wäre auch alles andere als das eine Sensation gewesen. Präsident Medwedjew steht nicht nur aufgrund seiner Biographie und den Umständen seines politischen Aufstiegs in der Tradition Putinscher Politik.
Vielmehr hat er als langjähriger Gasprom-Aufsichtsratschef und Vizepremier die russische Außenpolitik der letzten Jahre in wirtschaftlicher und energiepolitischer Hinsicht mitgeprägt. Zudem wäre es auch wenige Wochen nach der Amtsübernahme verfrüht, von Präsident Medwedjew einen außenpolitischen Richtungswechsel zu erwarten.
Symbolische Gesten statt konkreter Ergebnisse
Auffallend an dem Besuch Medwedjews war jedoch die freundliche Atmosphäre, um die sowohl Medwedew als auch Merkel bemüht waren. Die Kritik an möglichen NATO-Erweiterungsplänen oder der US-Raketenabwehr trug der russische Präsident in diplomatischen Tönen vor. Das hatte bei Präsident Putin - beispielsweise in seiner Münchner Rede im Februar 2007 - noch alles ganz anders geklungen.
Die Bundeskanzlerin agierte in selber Weise: Sie war ebenfalls bemüht, Medwedjew in freundlichem Ton zu begegnen. Mögliche Differenzen zur Situation der Bürgerrechte in Russland verdeckte Merkel mit der diplomatischen Floskel, man habe vereinbart, einen "offenen und ehrlichen Austausch zu führen". Und ebenso zurückhaltend und vorsichtig verhielt sich Merkel als in der Pressekonferenz nach der weiteren Entwicklung im Fall des inhaftierten Unternehmers Michail Chodorkowskij gefragt wurde. Auch das klang bei ihr schon alles einmal deutlicher. Weder Merkel noch Medwedjew wollten die gute Atmosphäre gefährden. Beide sehen in dem Personalwechsel im Kreml scheinbar die Chance, den etwas festgefahrenen und in mancher Hinsicht nicht ganz leichten Beziehungen der letzten Monate wieder Schwung zu geben.
Gute Grundlage für mehr
Konkrete Ergebnisse waren beim ersten Deutschland-Besuch von Dmitri Medwedjew als russischer Präsident nicht zu erwarten gewesen. Die Stippvisite hat jedoch eine gute Grundlage gelegt, für eine Vertiefung und Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen in den kommenden Monaten. Vor seiner Rückreise hob Medwedjew in einer Rede vor deutschen Politikern, Wirtschaftsbossen und Journalisten die gemeinsamen Werte hervor und versprach, die Entwicklung eines russischen Rechtsstaates voranzutreiben. Diese Ziele werden in Deutschland mit großer Zustimmung aufgenommen, zumal der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in einer Rede in Jekaterinburg vor wenigen Wochen Russland genau diese Form der Modernisierungspartnerschaft angeboten hat. Daher bleibt nur eins zu wünschen: Nach den vielen Worten müssen jetzt Taten folgen. Andernfalls verliert der neue russische Präsident seine Glaubwürdigkeit.
Ingo Mannteufel