Maduro lügt sich in die Tasche
Der jüngste und anschaulichste Beleg für die venezolanische Tragödie kam dieser Tage vom Internationalen Währungsfond (IWF): Das südamerikanische Land wird voraussichtlich dieses Jahr nicht mit der derzeitigen Inflationsrate von 13.000 Prozent abschließen, sondern mit einer Million Prozent. Die neue Schätzung des IWF kam zum passenden Zeitpunkt, kurz nachdem die Pläne der Regierung unter Präsident Nicolás Maduro zur Währungsumstellung am 4. August von der Opposition als "blödsinnig" und "nutzlos" bezeichnet wurden. Und das ist wahrscheinlich noch freundlich ausgedrückt. Es ist absolut schleierhaft, wie die venezolanische Regierung auf die Idee kommt, durch die Entfernung von fünf Nullen aus der nationalen Währung - dem Bolivar - die horrende Hyperinflation stoppen zu können, ohne die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzurühren.
Unsinn und Enttäuschung
Schon Hugo Chávez, Maduros Vorgänger als venezolanischer Präsident, hatte dem Bolivar im Rahmen einer Währungsreform drei Nullen abgezogen, um die täglichen Transaktionen seiner Landsleute zu vereinfachen. Dies geschah jedoch 2008, als die Inflationsrate "nur" 30 Prozent betrug. Heute will der aktuelle starke Mann in Caracas denselben Trick wiederholen und die lokale Währung massiv abwerten. Derzeit kostet ein US-Dollar auf dem Schwarzmarkt rund 3,5 Millionen Bolivar. Um diese "Währungsreform" umzusetzen, fehlt es aber schon heute an Devisen - zur Finanzierung des Drucks und der Auslieferung der neuen Banknoten. Maduros Taschenspielertrick kostet 300 Millionen Dollar, beinhaltet aber keinen Plan, um die Inflation zu bekämpfen, und ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Es ist also kein Wunder, dass es weiterhin landesweit zu Protesten kommt. Mehr als 200 sind es derzeit - pro Woche. Am vergangenen Samstag (21.7.) versprach Präsident Maduro rund 300 Millionen Euro zur Verbesserung der Leistungen in den öffentlichen Krankenhäusern aufzuwenden. Doch dieser Betrag reicht bei weitem nicht aus um die gravierenden Mängel in den rund 300 staatlichen Kliniken des Landes zu beheben. Zudem bleiben dabei die Ineffizienz des Gesundheitssystems und die Hungerlöhne für Ärzte und Krankenschwestern unberührt. Viele Venezolaner verlassen das Land, weil sie aus unendlich vielfältigen Gründen diesem System nicht mehr vertrauen.
Verlogenes System
Sie vertrauen diesem System nicht mehr, weil es an allem fehlt: an Nahrungsmitteln und Medikamenten, an Devisen, an elektrischem Strom, an Leitungswasser, an Treibstoff, an einem geregelten öffentlichen Transportsystem…; diese Liste könnte man schier endlos weiterführen. Genau wie die außer Kontrolle geratene Hyperinflation sind all diese Probleme eine direkte oder indirekte Folge des von Hugo Chávez eingeführten Wirtschaftsmodells. Die venezolanische Regierung lügt sich in die Tasche, wenn sie darauf beharrt, dass ihre eigene Unfähigkeit, auch nur die grundlegendste Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, auf eine Verschwörung von Industrie und Unternehmern zurückzuführen ist.
Das Maduro-Regime lügt, wenn es die aktuelle Krise auf den Rückgang der Ölpreise zurückführt. Die Nahrungsmittel- und Medikamentenknappheit gab es schon bei einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel; auch ist sie sonst bei keiner anderen Exportnation des schwarzen Goldes zu beobachten. Das Regime lügt auch, wenn es die Ursache für die Not der Venezolaner in den internationalen Sanktionen gegen Maduro-Gefolgsleute sieht, die wegen massiver Korruption und grober Menschenrechtsverletzungen verhängt wurden.
Die Wahrheit wird Maduro wohl nie eingestehen: Der Ursprung für die Katastrophe, die dieses Land mit den größten nachgewiesenen Ölreserven der Erde durchleiden muss, liegt allein im unsinnigen Wirtschaftssystem, das Maduro von seinem Vorgänger Hugo Chávez übernommen hat, und in seinem eigenen kategorischen Unwillen, dieses System auch nur ansatzweise zu reformieren.
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