Kulturk(r)ampf gegen rechts
Der politische Schlagabtausch mit der AfD ist inzwischen auch bei Kunst und Kultur angekommen. Mittlerweile wird hier so emotional und ideologisch gestritten wie sonst kaum noch. Schonraum für Schöngeister - das war Kultur vielleicht gestern. Heute ist sie zum bevorzugten Schlachtfeld geworden im großen Ringen um die Seele der Deutschen.
Dass der AfD-Politiker Marc Jongen von der "Entsiffung des Kulturbetriebs" schwadronierte und damit eine rote Linie überschritt, hat Schlagzeilen gemacht. Ebenso, wenn sich völkisch orientierte Gruppierungen wie die Identitären lautstark zu Wort melden, wie in Berlin und anderen deutschen Städten geschehen. Weniger präsent beim breiten Publikum sind dagegen parlamentarische Anfragen zur Kultur oder Forderungen nach massiven Mittelkürzungen, mit denen AfD-Politiker beispielsweise bei den jüngsten Haushaltsverhandlungen des Landes Berlin missliebige Institutionen wie das linke Gorki-Theater überziehen wollten.
Gleich die Kunstfreiheit bedroht?
In der Kulturszene wird so etwas als Frontalangriff, als Kulturkampf von Rechts empfunden. Eine Nummer kleiner geht es offensichtlich nicht. Entsprechend überzogen sind manche Reaktionen - hinter und auch auf der Bühne.
Stilbildend hierfür hat - leider - Falk Richters Stück "Fear" an der Berliner Schaubühne gewirkt. Richter ließ die Konterfeis von Rechtspopulisten wie Beatrix von Storch als Pappkameraden aufstellen und dann wüst auf sie eindreschen.
Das ist - gelinde gesagt - groteskes Gesinnungstheater. Damit machen es Richter und andere Regisseure den Rechtspopulisten leicht, die gern gegen die "Meinungsdiktatur" der links gewirkten Theaterszene zu Felde ziehen.
Abschottung statt Aufbruch
In die Falle rechter Verschwörungstheoretiker getappt ist zuletzt auch die von Steuergeldern finanzierte "Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin" mit ihren druckfrischen "Handreichungen zum Umgang mit dem Kulturkampf gegen rechts". Bei der Präsentation der Empfehlungen für bedrohte Kulturinstitutionen wurde so manches durcheinander geworfen und vorschnell als Einschränkung der Kunstfreiheit gegeißelt: AfD-Anfragen im Abgeordnetenhaus, Forderungen nach Etatkürzungen, Bühnenbesetzungen, Shitstorms in den Sozialen Medien und handfeste Gewaltandrohungen aus der rechten Szene.
Damit es ganz klar ist: Wer sich körperlich bedroht oder in seinem Hausrecht missachtet fühlt, der kann die Polizei rufen. Aber parlamentarische Anfragen oder Budgetverhandlungen gehören in die Parlamente und sind dort Teil des demokratischen Alltags. Dafür braucht es keine wie auch immer gearteten Handreichungen. Schon gar nicht stellen sie die Kunstfreiheit infrage.
Entlarvend ist, wenn in einem solchen Papier der renommierte ZEIT-Literaturjournalist Ulrich Greiner als Kronzeuge des Rechtspopulismus verunglimpft wird. Offensichtlich wollen die Autoren unter der Überschrift "Kulturkampf" auch konservative Demokraten in die rechtsextreme Ecke stellen.
Es stimmt: Die Freiheit von Kunst und Kultur muss heute mehr denn je verteidigt werden. Das von der AfD propagierte nationalistisch-völkische Erbauungstheater beispielsweise kann keiner von uns wollen.
Mit Abwehrhaltung und politischen Rundumschlägen allein weckt man aber nur noch mehr Misstrauen und Vorbehalte. Eins steht fest: Dem "Kulturkampf von rechts" kommt man mit dem moralisierenden "Kulturk®ampf gegen rechts" nicht bei.
Gewiss, es gibt leuchtende Gegenbeispiele, etwa in Chemnitz, wo sich die Gemäldegalerie und andere Kulturinstitutionen nach den rechten Aufmärschen des letzten Jahres in neuer Weise öffnen. Womit sie eben nicht nur die üblichen Verdächtigen wie den ökobewegten Lehrer erreichen wollen, sondern auch die alleinerziehende Verkäuferin oder den rebellierenden Rentner.
Raus in die Realität!
Doch solche ambitionierten Vorwärtsstrategien bleiben die Ausnahme: Zu viele Kulturinstitutionen verharren in selbstgenügsamer Wagenburgmentalität, laufen Gefahr, über die Abwehr eines möglichen Rechtsrucks ihr wahres Thema zu verfehlen: nämlich als gesellschaftlicher Seismograph die weit verbreiteten Ängste "da draußen" aufzugreifen und zu thematisieren. Das hieße dann am Ende auch, ganz konkret zu fragen, warum sich die gesellschaftlichen Risse gerade so stark in der Kultur abbilden, und noch konkreter, warum die rechte Kritik an der "Kultur für Eliten" auf soviel Beifall stößt.
Darauf einzugehen würde den Theatern allerdings etwas abverlangen, was auch im privaten Leben so verdammt schwer fällt: Sich gegenüber jenen öffnen, die uns kritisieren.