Am Ende ist es wie immer und England ist ausgeschieden. Haben wir uns etwa blenden lassen von der neuen Stärke der "Three Lions"? Haben wir uns getäuscht? Keineswegs. 120 Minuten brutaler Abnutzungskampf im Halbfinale, am Ende waren die Kroaten in der Verlängerung einfach zu abgezockt (2:1 n.V.). So auszuscheiden ist keine Schande. England geht erhobenen Hauptes.
Auch wenn es letztlich nichts wurde mit dem großen WM-Coup und der Fußball, wie in den letzten Tagen so oft besungen ("It's coming home"), eben nicht nach Hause kommt - England ist trotzdem ein Gewinner. Die Enttäuschung ist erstmal groß. Bei dem ein oder anderen Spieler, zusammengesackt auf dem Rasen, kullerten Tränen ob der verpassten Chance, ins Finale einzuziehen. Aber sie wird vielleicht schon bald wieder kommen - in vier Jahren bei der nächsten WM in Katar.
Auftritt als echte Mannschaft
Echter Zusammenhalt, Euphorie und Hunger. England hat bei dieser WM all das gezeigt, was der deutschen Mannschaft gefehlt hat. Anders als Bundestrainer Joachim Löw hat England-Coach Gareth Southgate die richtige Ansprache gefunden, die richtigen Charaktere zusammengestellt und den Schwerpunkt seiner Arbeit aufs Teambuilding gelegt. Herausragende Einzelspieler hatten die Engländer schon immer, doch diesmal sind sie tatsächlich auch als Mannschaft aufgetreten.
Zusammenhalt wurde bei den "Three Lions" gelebt, kein Marketing-Hashtag wie beim Weltmeister aus Deutschland. Southgate nahm einzelne Spieler auch nach schwächeren Leistungen vor der Presse in Schutz, beim DFB werden einzelne Spieler von Offiziellen angegangen und zum Sündenbock gemacht.
Hype um die Nationalmannschaft
England ist auf einer Euphoriewelle bis ins Halbfinale geschwommen und hat viele Kritiker und Fans zurückgewonnen - auch dank der neuen Offenheit. Die Spieler präsentierten sich nahbar und bescheiden. Ein ganzes Land stand dieser Tage geschlossen hinter den "Three Lions". Es ist ein regelrechter Hype entstanden, in den Sozialen Medien kursierten absurd witzige wie übergeschnappte Videos, die Fans feierten ihr Team und sich selbst.
Beim DFB-Team ist genau das Gegenteil der Fall. Das Marketing-Brimborium und der von Coca Cola gesponserte Fanclub Nationalmannschaft bereiten wahren Fußball-Fans in Deutschland schon seit geraumer Zeit Bauchschmerzen. Und auch unabhängig von den Ergebnissen war die Stimmung im und rund um das Team bei dieser WM ziemlich mau. Selbst nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden (2:1) fühlte sich Toni Kroos dazu genötigt, gegen Kritiker auszuteilen.
Lernen – und dann triumphieren!
Enttäuschungen, Chaos, mehr Gegeneinander statt Miteinander – das gab es in der jüngsten Vergangenheit vor allem rund ums englische Nationalteam. Doch bei dieser WM haben Deutschland und England die Rollen getauscht. Ein WM-Triumph ist den "Three Lions" dennoch verwehrt geblieben. In Russland war das Team dafür noch nicht reif genug. Aber es hat eine positive Zukunft vor sich. Viele Schlüsselspieler sind im besten Fußballer-Alter: Torhüter Jordan Pickford (24), das Innenverteidiger-Pärchen John Stones (24) und Harry Maguire (25), die Kreativen im Mittelfeld Dele Alli (22) und Raheem Sterling (23) und Kapitän und Torjäger Harry Kane (24). Das Gerüst der Mannschaft steht und kann in vier Jahren mit noch mehr Erfahrung wieder für Furore sorgen.
So hat auch diese schmerzliche Niederlage etwas Positives. England kann daraus lernen und noch stärker zusammenwachsen. Auch das DFB-Team hat schließlich mehrere Anläufe gebracht bis zum großen Triumph 2014 in Brasilien. Zweimal zuvor scheiterte die Mannschaft unter Löw im Halbfinale. Das muss nichts Schlechtes bedeuten. Kopf hoch, England!
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