Klare Botschaft an Kritiker
Manchmal konnte man in den letzten Monaten den Eindruck bekommen, dass die chinesische Regierung eine Entscheidung im "Fall Gao Yu" vor sich herschiebt. Zweimal war das Urteil vertagt worden - für chinesische Gerichte eher ungewöhnlich. "Die politische Führung hat noch nicht entschieden" hieß eine Begründung der Richter in einem informellen Gespräch. Optimisten interpretierten es als gutes Signal. Die Hoffnung: Das Urteil könne möglicherweise weniger hart ausfallen als befürchtet. Mit einem Freispruch rechnete unter Beobachtern allerdings niemand.
Im April letzten Jahres war die 71-jährige Journalistin, die auch für die Deutsche Welle als Korrespondentin gearbeitet hat, von der Pekinger Polizei festgenommen worden. Der Vorwurf: Verrat von Staatsgeheimnissen. Konkrete Details zu den Anschuldigungen - welche Papiere Gao Yu weitergegeben habe - gab es nicht. Die Vermutung: Es handle sich um das sogenannte "Dokument Nr. 9". Ein Papier, in dem die Regierung vor westlichen Einflüssen warnt. Vor westlicher parlamentarischer Demokratie zum Beispiel. Und vor Pressefreiheit. Informationen aus diesem Papier waren erst auf einer ausländischen, dann auf verschiedenen chinesischen Webseiten aufgetaucht.
Jetzt ist das Urteil da: Sieben Jahre soll die 71-jährige ins Gefängnis. Das Gericht folgte damit der Anklage, Gao Yu habe "illegal Staatsgeheimnisse an Ausländer weitergegeben". Die Argumente der Verteidigung spielten nach Aussage ihrer Anwälte quasi keine Rolle. Das Urteil ist ein klares Signal an all jene, die sich kritisch mit der chinesischen Politik auseinandersetzen.
Immer wieder ist Peking in den letzten Monaten hart gegen Kritiker vorgegangen. Jüngstes Beispiel: die Verhaftung von fünf Feministinnen, die gegen sexuelle Belästigung in Bussen und U-Bahnen protestieren wollten. Zwar sind die Aktivistinnen derzeit gegen Kaution wieder auf freiem Fuß. Eine Anklage droht ihnen allerdings immer noch. Dieser Fall schien nicht zuletzt deswegen absurd, da sich die Feministinnen mit ihrem Kampf für mehr Frauenrechte für etwas einsetzten, das sich auch die Kommunistische Partei gerne auf die Fahnen schreibt. Doch offenbar hatte für die Regierung nur eines Priorität: jede Form des Protests möglichst gleich im Keim zu ersticken.
Und es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele: Die Verhaftung des Menschenrechtsanwalts Pu Zhiqiang etwa. Ihm wurde im Mai letzten Jahres "Unruhestiftung" vorgeworfen. Pu Zhiqiang hatte unter anderem den Künstler Ai Weiwei verteidigt. Oder das Urteil gegen den uigurischen Akademiker Ilham Tohti im September. Er galt als gemäßigte Stimme der uigurischen Minderheit im autonomen Gebiet Xinjiang im Westen Chinas. Nun sitzt er lebenslang in Haft.
Die Verurteilung von Gao Yu passt in dieses Bild. Offenbar will die chinesische Regierung alles, was den "chinesischen Traum" Xi Jinpings stören könnte, frühstmöglich unterdrücken. Die Luft für kritische Geister in China ist sehr dünn geworden.
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