Noch taktiert die Führungsriege des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). Noch hofft sie, die Kollateralschäden der Personalie Jacob Zuma unter Kontrolle halten zu können. Noch glaubt sie an eine interne Lösung, mit der man die Kommunalwahlen im August retten und den Atem der Befreiungsbewegung erhalten kann.
Dass der Traditionalist, Populist, Polygamist, Strippenzieher und Verfassungsbrecher Jacob Zuma untragbar geworden ist, bezweifelt außerhalb des ANC niemand mehr. Intern aber kämpfen die Opportunisten noch: um ihre Posten, ihre Pfründe, ihre Mandate in der Nationalversammlung, die ihnen ein gutes Einkommen bescheren. Zuma ist es gelungen, ein sinistres, in Teilen mafiöses Netzwerk unter sich zu knüpfen, das ihn bis zum heutigen Tag vor dem freien Fall bewahrt.
Die Partei Mandelas zerlegt sich selbst
Außenstehende staunen nur ungläubig, wie offen und schier unaufhaltsam sich die große Freiheitsbewegung mit ihren einstigen Anführern Albert Luthuli, Oliver Tambo und Nelson Mandela von den einstigen Idealen, Leitmotiven und Prinzipien entfernt, wie rasant sich die Regierungspartei selbst zerlegt. Dafür haben andere Befreiungsbewegungen 50 Jahre gebraucht!
Einige Aufrechte beschwören den alten solidarischen Geist, versuchen von innen heraus, ihn zu neuem Leben zu erwecken. In geheimen Parteitreffen reden sie Tacheles: Beklagen das respektlose, abschätzige und arrogante Verhalten der Führung, das die Integrität des gesamten ANC belaste. Wie Zuma-Kritiker als illoyal diffamiert würden. Wie die Führung die alten Stärken über Bord werfe.
Immer mehr ANC-Genossen rücken öffentlich von Zuma ab, Apartheid-Widerständler der ersten Stunde, Weggefährten und Zellennachbarn Nelson Mandelas, ehemalige und jetzige Minister. "Nkandla-Gate", der Skandal um die steuerfinanzierte Luxussanierung von Zumas Privatwohnsitz im Zululand, endete mit einer schallenden Ohrfeige durch das Verfassungsgericht. Zuma muss mehrere Millionen Euro aus seiner Privatschatulle zurückzahlen. Anderswo wäre ein so offener Verfassungsbruch Grund genug, sofort zurückzutreten: freiwillig.
Zuma-Nachfolge aus dem Kreis der Familie
Für den ANC wäre dies – selbst mit großer Verspätung – noch immer die beste Option, um als Sammelbewegung weiter zu bestehen. Die bessere Option, den Präsidenten wegen Verletzung seiner Amtspflichten selbst vom Hof zu jagen, hat der ANC schon verspielt. Die in vielen Krisen bewiesene Selbsterneuerungskraft hat der ANC als Regierungspartei offenbar verloren. Sein kollektives Führungsorgan, das Nationale Exekutivkomitee (NEC), ist in der Zuma-Frage komplett gespalten, leider auch entlang ethnischer Frontlinien, die zuvor in 114 Jahren Parteigeschichte nie eine Rolle gespielt hatten.
Option Nummer drei ist ein Weiter-so: Der Präsident wird wie bisher von der breiten ANC-Parlamentsmehrheit gedeckt – selbst bei Verfassungsverstößen und dubiosen Geschäftsallianzen. Der ANC würde sich noch weiter von der Gesellschaft und ihren demokratischen Standards entfernen - zur Freude der Opposition. Sie gewänne noch mehr Zeit, sich zu profilieren.
Demokratie ist größer als der ANC
Der ANC wird sich vermutlich auf einen Kompromiss einigen, der mit dem Namen Zuma verbunden bleibt. Ein mögliches Szenario: Zuma tritt halbwegs geräuschlos ab und übergibt die Geschäfte an seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma. Ihre Amtszeit als Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU) endet im Juli, und sie hat sich bis zum Ablauf der Frist Ende März nicht um ein zweite Amtszeit beworben.
Sie steht dem ANC damit ab August zur Verfügung und ist, anders als der Wirtschaftsfavorit, Vizepräsident Cyril Ramaphosa, in allen Flügeln durchsetzbar. Dlamini-Zuma genießt ein Renommee als geradlinige und korruptionsfreie Macherin. Sie ist eine durchsetzungsstarke Managerin vom Typus Angela Merkel. Das Lager ihres Ex-Gatten könnte ihr abringen, von einer Strafverfolgung Jacob Zumas abzusehen, auch im Interesse ihrer vier gemeinsamen Töchter. Dem gefallenen Präsidenten winkte so ein beschaulicher Lebensabend in der Skandalimmobilie Nkandla mit seinen vier Ehefrauen, ihren Nachfolgerinnen, an der Seite.
Die Glaubwürdigkeit des ANC wiederherzustellen, bliebe eine Sisyphusarbeit für Dlamini-Zuma. Zweifellos würde sie der demokratischen Kultur Südafrikas dienen. Aber die ist längst nicht mehr nur von einer Partei allein abhängig. Die Lücken, die der ANC reißt, füllen andere. Südafrika hat die Freiheit der Wahl. Das ist die eigentlich gute Nachricht zum Freedom Day am Kap der Guten Hoffnung.