"In die neue Zeit". Das ist das Parteitags-Motto der SPD. Wie bitte? Von einem Aufbruch ist bei diesem Parteitag in Berlin gar nichts zu spüren. Die Sozialdemokraten haben lediglich mal wieder ihr Führungspersonal ausgetauscht. Zum dritten Mal in zwei Jahren. Diesmal gibt es eine Doppelspitze. Zwei Vorsitzende - statt nur einer oder einem.
Und es gibt fünf neue Stellvertreter: Befürworter der amtierenden Regierungskoalition und Gegner - fein austariert gemäß ihrer Positionierung innerhalb der Partei. Alle Spannung und Neugier: verpufft. Begeisterung für das Neue: nicht zu spüren.
Das pure "Weiter so"
Es ist das pure "Weiter so"! Politik für Millionen und nicht für die Milliardäre, wie der neue Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sagt. Mehr soziale Gerechtigkeit, mehr sozialer Zusammenhalt, Gemeinwohl statt Egoismus. Eine gestärkte Rente, bezahlbare Mieten, faire Einkommen. Mehr Investitionen, mehr Klimaschutz, mehr Europa. Das neue Führungsduo hat die althergebrachten, altlinken Positionen vorgetragen. Keine neuen Ideen, keine Kampfansagen an den politischen Gegner. Die Delegierten haben einigermaßen begeistert geklatscht. Und ihren neuen Parteivorsitzenden ein richtig gutes Wahlergebnis beschert.
Dabei hat dieses neue Führungspaar bei ihrer parteiinternen Wahlkampftour um das Amt immer offen damit geliebäugelt, dass sie aus der Regierung mit Angela Merkel aussteigen wollen. Sie haben suggeriert, dass das Ende der Regierunngskoalition nah sei. Auch dafür wurden sie von den Parteimitgliedern gewählt. Jetzt müssen sich die Neuen Etikettenschwindel vorwerfen lassen. Sie gehen durch die Hintertür, die sie sich offen gelassen hatten. Und die Delegierten beklatschen das. Wer versteht noch die SPD?
Obwohl nun - und daran lassen Esken und Walter-Borjans ja gar keinen Zweifel - seit heute Gegner der Regierung die Partei führen, werden sie aus dieser nicht aussteigen. Das war nicht vorherzusehen, aber das ist tatsächlich richtig und klug. Denn alles andere wäre politischer Selbstmord. Die Partei würde bei den dann wahrscheinlichen Neuwahlen geschrumpft, wichtige Mandate verlieren und auch die Möglichkeit, als Regierungspartner konkrete Politik für ihre Wähler zu machen. Und die neuen Parteivorsitzenden brauchen Zeit, um bekannter zu werden und um klare, inhaltliche Positionen zu liefern. Der Richtungswechsel nach weiter links ist langfristig angelegt.
Nur der Wechsel an der Spitze reicht nicht
Derzeit liegt die ehemals stolze Volkspartei SPD im Umfragekeller bei gerade mal 13 Prozent. Um da wieder rauszukommen, hilft es nicht, nur das Führungspersonal auszutauschen. Die SPD müsste endlich ihre Erfolge in der Regierung positiv verkaufen. Gute Regierungsarbeit fröhlich feiern, statt zu jammern, dass es nicht noch mehr gibt. Ihren Wählern erklären, was die SPD-Minister leisten. Sozialdemokratische Regierungspolitik offensiv vertreten. Dass sich die Neuen an der Parteispitze dafür hergeben ist allerdings nicht zu erwarten. Ein schwerer Fehler.
Großes Drama, großes Theater im Vorfeld - jetzt geht alles erstmal weiter wie bisher. Doch genau das ist im Prinzip eine gute Nachricht. Für Angela Merkel, weil sie weiterregieren kann. Aber auch für Deutschland und die EU: Denn das größte Land im Herzen Europas bleibt bis auf weiteres politisch stabil.