Imran Khans gefährlicher Wahlsieg
Imran Khan ist am Ziel. Der ehemalige Cricket-Star wird aller Voraussicht nach neuer Premierminister in Pakistan. Zum ersten Mal in der Geschichte Pakistans konfrontiert ein Populist aus der Provinz Punjab die Generäle. Dabei war lange Zeit nicht einmal sicher, ob diese Wahlen überhaupt stattfinden würden, da sein Hauptrivale, der ehemalige Premierminister Nawaz Sharif, sich bereits vor einiger Zeit mit dem mächtigen Militär des Landes überworfen hatte. Sharif, der derzeit wegen Korruptionsvorwürfen mit seiner Tochter Maryam hinter Gittern sitzt, hatte während seiner Amtszeit gegenüber den Armeegenerälen einen immer trotzigeren Tonfall angenommen. Er versuchte, die Innen- und Außenpolitik unter seine Zivilherrschaft zu bringen und die Beziehungen zu Indien und anderen Nachbarländern zu verbessern. Er stellte sich auch gegen das Militär, als es um die Frage des richtigen Umgangs mit den militanten Islamisten im Land ging. International wurde Pakistan vorgeworfen, die Behörden des Landes würden die Extremisten benutzen, um die afghanische Regierung zu destabilisieren.
In Sharifs Abwesenheit von der politischen Szene schien Khans Weg zur Macht vorgeebnet. Aber Sharifs Rückkehr aus London knapp zwei Wochen vor der Wahl hatte bei einigen die Hoffnung geweckt, dass seine Mitte-Rechts-Partei PML-N ein Comeback feiern und Khans populistische Partei PTI doch noch besiegen könnte. Und das, obwohl Sharif gleich bei seiner Ankunft am Flughafen von Islamabad verhaftet wurde. Aber die ersten noch inoffiziellen Ergebnisse haben deutlich gemacht, dass Khans jahrelanger Traum, Premierminister seines Landes zu werden, nun doch wahr geworden ist.
Ärger über angebliche Wahlfälschungen
Die Folgen dieses Sieges könnten für Pakistan gefährlich werden. Er ist umstritten, weil im Vorfeld der Wahlen Meldungen über Einschüchterung und starke Zensur die Runde machten. Mehrere Parteien kündigten bereits an, gegen "massive Unregelmäßigkeiten" im Wahlprozess zu protestieren - darunter auch die zweitstärkste Partei des Landes, die PML-N.
Dabei bräuchte das eh schon polarisierte Land dringend eine umfassende Versöhnung, vor allem um die immensen Sicherheitsherausforderungen zu bewältigen, von denen es gebeutelt wird. Ein vom "Islamischen Staat" durchgeführter Bombenanschlag in Quetta tötete am Wahltag mehr als 30 Menschen, nachdem der IS bereits Anfang Juli in der Provinz Belutschistan einen der tödlichsten Terroranschläge in der Geschichte Pakistans verübt hatte.
Keine guten Nachrichten für ein Land, das auch an anderen Fronten mit existenziellen Krisen zu kämpfen hat: Der akute Wassermangel, die katastrophale Energieversorgung, die hohe Arbeitslosigkeit und die grassierende Inflation führen auch dazu, dass eine immer größere Anzahl von Menschen in Pakistan das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie insgesamt verlieren und sich lieber verbotenen islamistischen Gruppen zuwenden.
Versöhnung nicht in Sicht
Imran Khan aber hat wiederholt klargemacht, dass er niemand ist, der einen Prozess der politischen Versöhnung einleiten würde. Er wird gegenüber seinen politischen Gegnern auch weiterhin eine aggressive Haltung einnehmen, und das wird das Land noch mehr polarisieren. In einer Zeit, in der Pakistan seine Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft, insbesondere zu den USA, verbessern muss, dürfte Khan seine bisherige populistische, gegen den Westen gerichtete Rhetorik noch verstärken. Der PTI-Führer hat Washington wiederholt für das "Durcheinander" in Afghanistan verantwortlich gemacht und die Taten der Taliban "gerechtfertigt".
Die bei der OECD in Paris angedockte Financial Action Task Force (FATF) hat Pakistan erst kürzlich auf die "graue Liste" der Staaten gesetzt, die dafür verantwortlich gemacht werden, terroristische Aktivitäten zu finanzieren. Im September könnte die FATF das Land gar auf die "schwarze Liste" setzen, was nicht zuletzt für Pakistans schwer angeschlagene Wirtschaft verheerend wäre. Pakistan müsste also auch international deutlich stärker daran arbeiten, diese Finanzierungen zu unterbinden. Es ist jedoch zweifelhaft, ob ein Premierminister Imran Khan dies tatsächlich leisten kann und will.
Zeit, Dinge in Ordnung zu bringen
Dabei kann Pakistan seinen bisher eingeschlagenen Weg der internationalen Isolation nicht beibehalten. Die Weltgemeinschaft wird auch weiterhin mehr Offenheit, mehr Kooperation, mehr Meinungsfreiheit und mehr Demokratie fordern. Imran Khan wird an diesen Themen arbeiten müssen; seine Rhetorik abschwächen, politische Versöhnung initiieren, die Beziehungen nicht nur zu China, sondern auch zu den USA verbessern und seine eigene konstitutionelle Oberhoheit über die nationalen Institutionen durchsetzen. Pakistan kann sich sein bisheriges populistisches Abenteurertum nicht leisten.
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