Hoffentlich ein Präzedenzfall
Die Opfer der Diktatur von Hissène Habré, der den Tschad von 1982 bis 1990 regierte, mussten lange auf Gerechtigkeit warten: Mehr als ein Vierteljahrhundert gab es für sie kein Zeichen der Anerkennung ihres Leids. Schlimmer noch: Der Diktator, der Unheil über so viele Familien gebracht hat, lebte Jahre lang unbehelligt in einer schicken Villa im senegalesischen Exil. Geschützt von Senegals Ex-Präsident Abdoulaye Wade, der keinerlei Anstrengungen unternahm, Habré den Prozess zu machen, obwohl die Afrikanische Union dem Senegal schon 2006 das Mandat dafür gegeben hatte. Lange Zeit sah es aus, als werde die Akte Hissène Habré ein weiteres unrühmliches Beispiel dafür, wie Staatschefs in Afrika ungesühnt Verbrechen begehen.
Dabei verbreitete Habrés geheime Staatspolizei, die Direktion für Dokumentation und Sicherheit (DDS), eine Art tschadische Stasi, acht Jahre lang Angst und Schrecken und ist ein schlimmes Beispiel dafür, wie ein Staat seine Macht missbraucht: Es geht um zehntausende Fälle von Folter und Misshandlung und um den Tod von bis zu 40.000 Menschen.
Es ist der Hartnäckigkeit der Opfer-Vertreter und verschiedener Nichtregierungsorganisationen zu verdanken, dass Habré der Prozess gemacht wurde. Ein Lob gebührt auch den Richtern des afrikanischen Sondertribunals, den so genannten "Chambres africaines extraordinaires" (CAE), die dafür sorgten, dass der Diktator endlich eine lebenslange Gefängnisstrafe wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Vergewaltigung, Entführung und Sklaverei erhält.
Dass dieses Urteil von einem Sondertribunal der Afrikanischen Union gesprochen wurde, ist ein starkes Zeichen von Afrika und für Afrika. Ein Präzedenzfall. Habré ist der erste Präsident, der im Namen Afrikas und auf dem Kontinent selbst verurteilt wurde. Mit ihrem Urteil stärken die Richter die Bemühungen um eine unabhängige afrikanische Justiz, und sie stärken - und das ist vielleicht noch wichtiger! - die afrikanischen Zivilgesellschaften.
Schade nur, dass es so viele Jahre gedauert hat. Aber der Unwille des früheren senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade illustriert nur zu gut, dass der Weg noch weit ist. In Afrika hackt ein Präsident dem anderen nicht gern ein Auge aus: Selbst Wades Nachfolger Macky Sall hatte sich im Interview mit der DW vor zwei Jahren noch geziert, Hissène Habré einen Diktator zu nennen. Dabei ist Sall derjenige, der nach seiner Ernennung versprochen hatte, Habré werde der Prozess gemacht - und dieses Versprechen gehalten hat. Doch die Angst vieler afrikanischer Machthaber ist groß, eines Tages selbst vor Gericht zu stehen. Auch daher ist das Urteil der afrikanischen Strafkammer CAE so wichtig: Nur wenn den Staatschefs (und manch einer ist ein früherer Rebell) klar wird, dass Straftaten gesühnt werden, kann ein Umdenken eintreten.
Doch auch für die so genannte Internationale Gemeinschaft sollte dieses Urteil eine Lehre sein. Zum einen, weil die Richter der CAE gezeigt haben, dass sie ebenso kompetent sind wie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Zum anderen sollte es der Internationalen Gemeinschaft die Augen öffnen, dass sie oft die falschen Staatsoberhäupter stützt. Gerade heute gibt es viel zu viele Beispiele von Präsidenten in Afrika, die trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen ihre eigene Bevölkerung weiter in der internationalen Gunst stehen - zum Beispiel, weil sie Gehilfen sind im Kampf gegen den Terror jenseits ihrer eigenen Grenzen. Der Terror innerhalb der eigenen Grenzen ist für manchen internationalen Politiker da leider offenbar zweitrangig.
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