Der Papst und der gerechte Krieg
19. August 2014Der Papst setzt auf Gewalt gegen terroristische Gräueltaten im Irak. Militärisches Vorgehen sei unter bestimmten Umständen gerechtfertigt, so das Kirchenoberhaupt. Denn: Einen "ungerechten Aggressor zu stoppen“, sei "legitim".
Das Plädoyer des Papstes mit dem Namen des Heiligen Franziskus irritiert den ein oder anderen. Er trägt doch den Namen des Franziskus, kommt so sanft daher, und Kirche sollte doch nach all ihren Verfehlungen für Gewaltlosigkeit eintreten.... Und in früheren Zeiten gab es eine unglückselige Nähe der Kirche und der Kirchen zu Waffengängen.
Aber nur wenige in Europa werden so gut wie er aus direkten Quellen über die Gräuel der terroristischen Kämpfer des "Islamischen Staats" (IS) informiert sein wie der Papst. Er telefoniert mit den kirchlichen Repräsentanten in der Region, traf im Vatikan den Gouverneur von Kurdistan, wandte sich besorgt an Diplomaten aus aller Welt, schrieb UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, schickte schließlich vor einer Woche Kardinal Fernando Filoni, einen der besten Nahost-Kenner der Kurie, in die Kurdengebiete, nach Erbil und Bagdad. Seien es Jesiden, Christen oder andere - die Not der Minderheiten, die von IS-Kämpfern abgeschlachtet werden, erschüttert Franziskus.
Die Lehre vom "gerechten Krieg"
Dabei nimmt der Papst eine über viele Jahrhunderte gewachsene kirchliche Lehre vom "gerechten Krieg" auf, die Kriegshandlungen unter eng gefassten Kriterien zulässt. Angesichts der Dimension des Ersten und besonders des Zweiten Weltkriegs gab es in der katholischen Lehre im 20. Jahrhundert jedoch eine Abkehr von dieser Lehre des gerechten Krieges. Einer breiten Öffentlichkeit fiel das erst richtig auf, als Papst Johannes Paul II. (1978-2005) mit scharfer Kritik am Kosovo-Krieg 1999 und mit seinem Nein zum militärischen Vorgehen des US-Präsidenten George W. Bush gegen den Irak 2003 einer der weltweiten Mahner gegen Krieg wurde.
Der Direktor des Hamburger Instituts für Theologie und Frieden, der Friedensethiker Heinz-Gerhard Justenhoven, sieht den heutigen Papst "fast bis in die Wortwahl hinein" auf der Linie seiner Vorgänger. Denn Franziskus nimmt das auf, was Johannes Paul II. einst erklärt hat: die Anwendung von Gewalt als ultima ratio, als äußerste Möglichkeit. Und die katholische Moraltheologie, auch darauf verweist Justenhoven, spricht heute nicht mehr von der Lehre vom gerechten Krieg. Im gegenwärtigen moraltheologischen Diskurs geht es um das Recht auf Verteidigung, um das legitime Recht auf Verteidigung. Dabei hält sich die Kirche gottlob heraus aus der Bewertung, was in der aktuellen Situation "das richtige Mittel" sei. Aber sie liefert jenen, die darüber zu befinden haben, auch moralische und friedensethische Handreichungen und lässt sie nicht im Regen stehen.
Zu all dem passt die Wortwahl von Papst Franziskus: "Es ist legitim, den ungerechten Aggressor zu stoppen. Ich unterstreiche das Verb stoppen. Ich sage nicht: bombardieren. Ich sage: stoppen. Womit er zu stoppen ist, muss man sorgfältig überlegen."
Keine Kriege im nationalen Alleingang
Übrigens: Nur wenige Sätze weiter formulierte Franziskus allgemein anmutende Sätze, die man - wiederum in der Tradition seiner Vorgänger - als Kritik an den USA lesen kann: "Wir erinnern uns: Manchmal wurden unter dieser Rechtfertigung, den ungerechten Aggressor zu stoppen, echte Kriege geführt. Eine einzige Nation kann nicht beurteilen, wie man einen ungerechten Aggressor stoppt." Der Papst drängt also auf international abgestimmtes Vorgehen.
Mit dem Wandel in ihrer Sicht auf einen "gerechten Krieg" zeigt die katholische Kirche, dass sie sich Veränderungen stellt. Und sie lässt jene nicht allein, die in der Politik für solche Entscheidungen Verantwortung zu tragen haben. Das ist schwieriger, als wie ein Friedensengel jeder Armee und jeder autorisierten Gewalt - für welchen Fall auch immer - eine Absage zu erteilen. Man macht sich verantwortlich und damit vielleicht auch schuldig. Aber wer keine Verantwortung übernimmt, der lässt unter Umständen ebenfalls Menschen sterben. Heute im Nordirak, damals in Ruanda.