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Politik

Sprengsatz für die Große Koalition?

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Jens Thurau
28. November 2017

Vertrauen ist die Grundlage für eine Koalitionsregierung. Noch bevor Union und SPD miteinander geredet haben, wird nun ein Unkrautvernichtungsmittel zum Problem. Das war ein Ego-Trip zur Unzeit, meint Jens Thurau.

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Protest gegen das Pflanzenschutzmittel Glyphosat
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Freunde werden die beiden nicht mehr: Umweltministerin Barbara Hendricks von der SPD und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt von der CSU. Die Frage, ob das hochumstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat in der EU weiter eingesetzt werden kann, war lange ein riesiger Streitpunkt zwischen den beiden zuständigen Ministern. Hendricks dagegen, Schmidt dafür. Jetzt hat Schmidt die momentane Apathie der Regierung genutzt und einfach mal gehandelt. Noch wenige Stunden vor der Abstimmung sprach die SPD-Ministerin mit ihrem Kollegen, machte klar, dass sie die weitere Nutzung von Glyphosat für falsch hält. Egal. Schmidt wies seine Beamten an, zuzustimmen.

Ein Unkrautvernichter trübt das Vertrauen

Und so schafft es ein Unkrautvernichtungsmittel, die anstehenden Gespräche über eine mögliche neue Große Koalition einzutrüben. Tatsächlich geht es um Vertrauen, das ja ohnehin schwer wiederherzustellen ist nach vier Jahren in einem eher ungeliebten Bündnis. Vor allem aber berührt der Glyphosat-Streit die Grundlagen, unter denen die jetzige, die geschäftsführende Regierung agiert.

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Jens Thurau ist Korrespondent im Hauptstadtstudio

Keine weitreichenden Beschlüsse

Denn seit der Bundestag neu gewählt ist und schon arbeitet, hat die alte Regierung Merkel keine parlamentarische Grundlage mehr, ist nur noch geschäftsführend im Amt, wie es offiziell heißt. Sie hat zwar die gleichen Rechte und Pflichten wie jede Regierung, aber es gilt: Bei weitreichenden Beschlüssen muss sich dieses quasi nur verwaltende Kabinett zurückhalten. Oder, wenn es nicht anders geht, das Votum des neuen Bundestages einholen. Die Frage: Wie weiter mit Glyphosat? Das war ein solch weitreichender Beschluss. Alleingänge à la Schmidt verbieten sich da.

Hendricks hielt sich an die Geschäftsgrundlagen

Zumal Hendricks sich vor wenigen Tagen erst selbst eine solche Zurückhaltung auferlegt hat: Sie hat erfolglos in der alten Regierung für einen raschen Kohleausstieg geworben, aber sie scheiterte am Kanzleramt  und an ihrem Parteifreund, dem damaligen SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Als vor zwei Wochen auf den Bonner Klimakonferenz rund 20 Staaten genau das verkündeten, einen raschen Kohleausstieg, da bat sie um Verständnis, sich als nur noch verwaltende Ministerin dem nicht anschließen zu können. Hätte sie sich verhalten wie Schmidt, hätte sie einfach schlagzeilen-fördernd zugestimmt. Hat sie aber nicht. Was soll man jetzt sagen? Schön blöd?

Die Kanzlerin ist gefordert - wieder einmal

Es wäre doch eigentlich mal ganz schön, wenn die Kanzlerin, und sei es nur für einen kurzen Moment, aus ihrem Elfenbeinturm heraustreten und auch der jetzigen, der geschäftsführenden Regierung eine Richtung vorgeben würde. Und ein zentraler Punkt dabei wäre: Wir halten uns an Absprachen, wir verzichten auf Ego-Trips. Umso wichtiger, wenn die alte Regierung nahtlos in die neue übergehen soll, wonach es ja gerade aussieht.

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