Fair und gerecht
7. Juni 2013"Historische Entscheidung für Homosexuelle" und "Karlsruhe blamiert die Koalition" – so lauten Zeitungsschlagzeilen vom Freitag (7. Juni). Aber ist es tatsächlich noch eine Überraschung, wenn das Bundesverfassungsgericht die Regierungspolitik bei der Gleichstellung von Schwulen und Lesben korrigiert? Mehrfach hat das Gericht das in den letzten Jahren getan. Beim Hinterbliebenen– und Erbschaftsrecht, bei der Adoption, jetzt bei der komplizierten Besserstellung von Ehen im Einkommenssteuerecht. Und stets lautete die Begründung ähnlich: Wer gleiche Pflichten übernimmt wie in der Ehe, wer sich verspricht, für den Partner einzustehen als Homosexueller, der bekommt auch die gleichen Rechte wie Frau und Mann. Punkt.
Genau das aber hat eine Mehrheit von CDU und CSU nie wahrhaben wollen. Bis heute nicht. Als SPD und Grüne 2001 die eingetragene Lebenspartnerschaft für Schwule und Lesben beschlossen, traf das auf wütenden Widerstand der Konservativen. Seit die CDU wieder regiert, seit 2005, hat sie sich vom höchsten deutschen Gericht treiben lassen – auch jetzt. Schon in der kommenden Woche will die Regierung das Gesetz beschließen, wonach Schwule und Lesben bei der Steuer gleichgestellt werden. Das hat die CDU/CSU-Fraktion mit großer Mehrheit beschlossen – dabei hatte ein CDU-Parteitag im letzten Winter genau das noch scharf abgelehnt.
Ehe von Mann und Frau bleibt zentral für die Gesellschaft
Dahinter steckt neben der Angst vor der Berührung mit der angeblich bedrohlichen Welt der Homosexuellen die Sorge um den Fortbestand der traditionellen Ehe. Sie ist unbegründet. Gerade einmal 34.000 eingetragene Lebenspartnerschaften von Homosexuellen gibt es seit 2001, pro Jahr aber geben sich etwa zehnmal so viele Männer und Frauen in Deutschland das Ja-Wort. Die Ehe von Mann und Frau wird für die Gesellschaft auch in Zukunft zentral bleiben. Wenn Schwule und Lesben die gleichen Rechte bekommen, ist das ganz einfach nur: fair und gerecht.
Wenn die traditionelle Ehe bedroht sein sollte, dann durch eine mehr und mehr individualisierte Gesellschaft. Durch Lebensentwürfe, die andere Dinge in den Mittelpunkt stellen als das Zusammenleben mit nur einem Partner und die Erziehung von Kindern. Und durch eine Politik auch von CDU und CSU, die lange nicht zur Kenntnis genommen hat, dass Frauen heute beides wollen: Beruflich erfolgreich sein und Kinder haben. Die beste Politik zum Schutz der Ehe wäre also mehr Betreuungsplätze einzurichten, mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun, steuerliche Förderung dort zu gewähren, wo Familien Kinder haben. Das schützt die Ehe besser als eine dumpfe Angst vor Homosexuellen. Und besser ist es auch, selbst politisch zu handeln, als sich vom Bundesverfassungsgericht dazu auffordern zu lassen.