Gefährliche Abenteuerlust in Riad
Die Lage in Syrien eskaliert erneut. Die Friedensgespräche liegen schon wieder auf Eis, noch bevor sie richtig begonnen haben. In dieser Situation meint die Regionalmacht Saudi-Arabien offenbar, Entschlossenheit demonstrieren zu müssen. Wenn die Internationale Koalition gegen den Terror des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) sich zum Einsatz von Bodentruppen entschlösse, würden die Saudis gerne mitmachen und eigene Truppen entsenden, erklärte ein Berater des saudischen Vize-Kronprinzen und Verteidigungsministers, Mohamed bin Salman.
Ist das eine positive Botschaft? Nein, auch wenn es aus westlicher Sicht so erscheinen könnte. Schließlich ist Riad schon länger mit dem Vorwurf konfrontiert, extremistisches Gedankengut in alle Welt exportieren und nicht ausreichend gegen eigene Bürger vorzugehen, die den IS finanziell unterstützen. Wenn Saudi-Arabien nun bereit ist, eigene Soldaten in einen Bodenkrieg mit dem IS zu schicken: Ist dies dann nicht das von vielen im Westen herbeigesehnte Signal, dass islamische Länder endlich selbst aktiver gegen den IS vorgehen?
Hilfe, die kaum jemand will
Das wäre zu einfach gedacht. Bei aller ideologischen Nähe hat Saudi-Arabien durchaus ein Interesse daran, den IS zu bekämpfen. Denn der IS strebt unter anderem an, die saudische Monarchie zu stürzen. Eine noch größere Gefahr sieht Saudi-Arabien allerdings noch immer in der eigenen schiitischen Minderheit und in der rivalisierenden schiitischen Regionalmacht Iran, die in Syrien gemeinsam mit Russland das Regime von Baschar al-Assad unterstützt. Sie alle mischen militärisch - direkt oder indirekt - längst mit in diesem Konflikt, auch die Saudis. Sie unterstützen zwar nicht den IS, wohl aber andere, teils durchaus islamistische Rebellengruppen.
Die USA haben es zunächst abgelehnt, den saudischen Vorschlag zu kommentieren. Einen Einsatz von westlichen oder gar saudischen Bodentruppen will dort niemand. Das ist in der jetzigen Lage, mit massiver russischer Militärpräsenz vor Ort, auch vernünftig. Auch wenn dies allen Menschen, die vor Bombardements des Regimes und der Russen oder - in anderen Regionen - vor Attacken des IS flüchten müssen, nur bitter und zynisch erscheinen kann. Doch das saudische Militär hat sich bereits im Jemen hoffnungslos in einen blutigen Stellvertreter-Krieg verstrickt. Der Einsatz saudischer Truppen in Syrien wäre angesichts der zahlreichen dort operierenden Kräfte noch viel gefährlicher - zumal Riad dort selbst klar als Kriegspartei wahrgenommen wird.
"Impulsive Interventionspolitik"
Angesichts einer wirtschaftlich zunehmend schwierigen Lage daheim und diplomatischer Erfolge seines Rivalen Iran auf internationaler Bühne scheint Riad zunehmend nervös und lässt eine gefährliche Neigung zu militärischen Abenteuern erkennen. Die Zeiten, in denen Riad sich als verlässlicher Partner und vermittelnde Kraft zu positionieren versuchte, scheinen vorbei. Selbst der deutsche Auslandsgeheimdienst BND bescheinigte der derzeitigen saudischen Führung kürzlich einen Hang zu "impulsiver Interventionspolitik".
Und Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier musste bei seiner jüngsten Nahost-Reise erfahren, dass Riad in den entscheidenden Konflikten und Zukunftsfragen der Region genauso wenig Entgegenkommen oder Kompromissbereitschaft zeigt wie das iranische Regime. Es sind nicht nur Menschenrechtsfragen, die das traditionell gute Verhältnis westlicher Staaten zu Saudi-Arabien zunehmend auf den Prüfstand stellen.
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