Folter - Yes we can!
20. Dezember 2014Folter durchzieht die gesamte Geschichte der USA. Dies ist kein Geheimnis, sondern seit langem bekannt. Ob während der Sklaverei, dem Spanisch-Amerikanischen Krieg im Jahr 1898 oder im Vietnam-Krieg - die Vereinigten Staaten setzten die Folter eben nicht erst seit den Anschlägen des 11. September 2011 ein. All dies hat Peter Beinart jüngst in einem brillanten Artikel im Magazin "The Atlantic" nochmals beschrieben. Darin widerspricht er auch mit Nachdruck US-Präsident Barack Obama, der nach der Veröffentlichung des Senatsberichtes gesagt hatte, "Folter ist das Gegenteil dessen, was uns ausmacht".
Kein Ausrutscher
Beinart hat Recht, wenn er schreibt, Folter "ist die Manifestation dessen was wir sind". Denn die USA haben ein problematisches Verhältnis zur Folter. Dies belegt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch zahlreiche Meinungsumfragen seit 2001. So hielten bereits vor zwei Jahren 63 Prozent der Amerikaner laut einer Yougov-Befragung Folter unter bestimmten Umständen für gerechtfertigt. Dass eine neue Umfrage nach der Vorlage des erschreckenden Senatsberichts zur Folterpraxis der CIA dieses Bild nun bestätigt, ist erschütternd, aber nicht sonderlich überraschend.
Besonders wenn man das politische Klima betrachtet: Es wird außenpolitisch von kaum vorstellbaren Gräueltaten geprägt - Terroranschläge in Pakistan, Australien, Afghanistan und im Irak beherrschen die Schlagzeilen. Innenpolitisch wird es bestimmt durch eine gefühlte Angst vor Terroranschlägen und von Aussagen, wie die des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney. Der bekundete wiederholt, öffentlich und offensiv, er würde alles wieder genauso machen. Und erntete dafür vielerorts Zuspruch.
Cheney statt Folteropfer
Ein weiterer, besonders in unserer Mediengesellschaft wichtiger Aspekt ist, dass die Folteropfer - im Gegensatz zu den politisch Verantwortlichen wie Cheney - in der Öffentlichkeit keine Stimme haben. Während Cheney und der CIA schon im Vorfeld der Veröffentlichung des Senatsberichts eine professionelle Gegenkampagne organisierten, bleiben die Folteropfer weiter stumm und gesichtslos. Daran sind auch wir Journalisten Schuld. Wir machen es uns oft zu einfach: Statt die schwierigere Recherche nach Folteropfern zu unternehmen, begnügen wir uns zu häufig damit, die knackigen, weil kontroversen Zitate der Politiker wiederzugeben.
Zu glauben, die Einstellung der Amerikaner zur Folter sei nur eine Momentaufnahme, ist Wunschdenken. Die historische Folter-Praxis in den USA, die nachvollziehbare Terrorangst der Amerikaner, das Verteidigen der Folter durch führende Politiker sowie die mediale Abwesenheit der Folteropfer - all dies macht einen grundlegenden Wandel in der Akzeptanz von Folter derzeit wenig wahrscheinlich. Die USA brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte über Folter. Doch um diese glaubhaft führen zu können, muss gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen juristisch ermittelt werden. Danach sieht es gegenwärtig jedoch nicht aus.