Reich gegen arm, groß gegen klein, Einzahler gegen Empfänger, Agrarlobby gegen Innovationsfetischisten. Spendierfreudige gegen Sparfüchse. Die Fronten in der Europäischen Union sind am Anfang einer langen Diskussion um den siebenjährigen Haushalt nach 2020 klar. Das ist nicht neu. Das war bei jeder Diskussion um das langfristige Geldausgeben in der EU so. Insoweit ist das Gipfeltreffen an diesem Freitag nichts Besonderes. Die Staats- und Regierungschefs tragen sich gegenseitig ihre Interessen, Positionen und roten Linien vor. Allen ist klar, dass am Ende ein Kompromiss stehen muss, wie bei jeder Haushaltsverhandlung.
Und doch ist diesmal einiges anders. Die Verhandlungen zum Haushalt könnten zum Offenbarungseid für die Europäische Union werden, denn der schwelende Streit zwischen den eher werteorientierten Altmitgliedern und den Neuzugängen im Osten, die vor allem auf wirtschaftliche Hilfen scharf sind, wird hier klar zu Tage treten. Er wird sich irgendwann auch nicht mehr mit Worthülsen verdecken lassen. Beim Geld muss irgendwann Tacheles geredet werden. Die hartnäckige Weigerung der Nettoempfänger Polen, Ungarn oder Tschechien Flüchtlinge aufzunehmen, Solidarität zu zeigen und sich an geltendes Recht in der EU zu halten, kann dazu führen, dass den Nettozahlern der Kragen platzt. Dann gibt es Geld nur noch bei Wohlverhalten und Erfüllung politischer Kriterien. Der Spalt, der schon lange zu erkennen ist, würde zu einem großen Graben aufplatzen.
Für unbotmäßige Empfänger droht Stunde der Wahrheit
Mit Erpressung oder Betrug, wie polnische, ungarische Politiker oder auch Rechtsausleger in der AfD glauben machen wollen, hat das nichts zu tun. Auch die Nettozahler haben ihre Interessen. Wer bezahlt, bestellt die Musik. Nach der absehbaren Haushaltsschlacht könnte die EU endgültig in ein Kerneuropa und ein peripheres Europa zerfallen. Das Ausscheiden weiterer EU-Staaten aus dem Verbund ist nach dem Brexit nicht mehr gänzlich ausgeschlossen. Wenn die polnische PiS-Partei tatsächlich glaubt, Brüssel diktiere und erpresse, sollte sie konsequent sein und das Empfängerland Polen aus der Union herausführen. Bedrohlich wird die Lage für die EU erst, wenn ein weiteres Nettozahlerland wie etwa Italien unter einer möglichen national-konservativen Koalitionsregierung der EU den Rücken kehren würde.
Ungewöhnlich ist diesmal auch, dass das größte Nettozahlerland Deutschland bereits als einziges erklärt hat, einen Teil der britischen Brexit-Lücke mit höheren Beiträgen ausgleichen zu wollen. Diesen Trumpf zieht man normalerweise am Ende einer Haushaltsverhandlung, nicht gleich am Anfang. Welche Sorge treibt die deutsche Seite um? Oder ist das schlicht eine falsche Verhandlungstaktik?
Weniger ist mehr
Insgesamt täte die EU gut daran, jetzt ihre Ausgaben zu überprüfen und zu sparen. Ist die Förderung der Landwirtschaft im heutigen Umfang noch sinnvoll? Muss sich die EU an der Förderung strukturschwacher Gebiete beteiligen? Ist gemeinsamer Grenzschutz wichtiger als der Austausch von Studenten? Ist es wirklich sinnvoll, jährlich 130 Milliarden Euro einzuzahlen und über den Umweg Brüssel wieder auszuteilen. Könnten die Mitgliedsstaaten vieles davon nicht einfacher selbst leisten? Wäre es nicht besser, wenn zum Beispiel Deutschland seine Landwirte selbst subventionierte ohne Umverteilungsbürokratie der EU? Welche Aufgaben müssen zwingend grenzüberschreitend europäisch finanziert werden?
Am Ende muss und wird es eine Einigung der Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments geben. Jeder, der Mitglied bleiben will, wird Kompromisse machen müssen, denn beim Haushalt ist die EU vertraglich zur Einstimmigkeit verdammt. Nichts geht gegen Polen. Nichts geht gegen Deutschland oder Malta oder Luxemburg oder... Es wird noch viele Haushaltsgipfel mit reinigendem Streit geben. Und dann irgendwann im Jahr 2019 wird drei Nächte durchverhandelt, um es allen Recht zu machen. Das war immer das Rezept der EU - wird es diesmal aufgehen?
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