Auf dem Balkan wenig Neues. So lässt sich das Ergebnis dieses hochrangig besetzten Gipfeltreffens zwischen der EU und sechs Beitrittskandidaten in Sofia kurz zusammenfassen. Die EU versichert, dass die sechs Staaten irgendwann in den Wohlstand und Stabilität verheißenden Club aufgenommen werden. Die Kandidaten versichern, alles an Reformen und Anstrengungen zu unternehmen, was möglich ist, um die strengen Clubregeln zu erfüllen. Das geht nun schon seit 15 Jahren so - seit dem Gipfeltreffen 2003 in Thessaloniki. Und das wird auch noch weitere zehn Jahre so gehen, zumindest für die schwächsten Glieder in der Warteschlange, also Kosovo und Bosnien-Herzegowina.
Der Appetit der meisten Alt-Mitglieder, sich neue Staaten und damit auch neue Probleme aufzuhalsen, ist eher gering. Der französische Euro-Star, Präsident Emmanuel Macron, brachte es so auf den Punkt: Bevor die EU neue Mitglieder aufnimmt, muss sie erst einmal ihre eigenen Probleme lösen, sprich: seine Reformvorschläge umsetzen. Spanien mauert ebenfalls und will erst mitziehen, wenn der Status des Kosovo so definiert ist, dass die rebellischen Katalanen aus einer Anerkennung des Kosovo als Staat kein Vorbild für ihre Auflehnung gegen Madrid zimmern können. Das ist kompliziert und wird lange dauern.
Die Beitrittskandidaten werden sich also weiter anstrengen müssen und in Geduld üben. Noch wirkt der Anreiz der EU aus finanziellen Beihilfen und politischer Solidarität. Aber Russland und China stehen bereit, notfalls in die Bresche zu springen, falls der EU-Eifer in Bosnien, Serbien oder Albanien abebbt.
Tiefe Risse
Da der Balkan also im Moment keine Überraschungen birgt, konnte sich die EU ganz auf ihr neues Feindbild, den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, konzentrieren. So hart wie nie zuvor haben die EU-Chefs einen amtierenden Präsidenten der großen NATO-Schutzmacht USA kritisiert. Seine Politik ist nicht nachvollziehbar und falsch, abenteuerlich und vollkommen unsolidarisch. Das ist Merkel, Macron, May und Co. schon lange klar. Jetzt sprechen sie es auch aus und verständigen sich auf Gegenmaßnahmen. Die Möglichkeiten der EU, gegen die Wirtschaftsgroßmacht USA vorzugehen, sind bescheiden, aber wenigstens die sollen jetzt genutzt werden. Man darf sich nicht alles bieten lassen, auch nicht von früheren Freunden: Das war die klare und richtige Ansage aus Sofia.
Die Frage ist, ob das aufgeplusterte Gefieder der EU das Alpha-Männchen im Weißen Haus wirklich kratzen wird. Der US-Präsident hat ohne Rücksicht auf die Verbündeten in Europa das Klimaabkommen torpediert, im Nahen Osten gezündelt, Strafzölle verhängt und jetzt das Nuklear-Abkommen mit dem Iran waidwund geschossen. Ob die EU tatsächlich drohende amerikanische Sanktionen gegen Stahl oder gegen Unternehmen, die im Iran Geschäfte machen, umgehen kann, ist ungewiss. Eines ist klar, es wird teuer und sehr schwierig, die wirtschaftlichen Verbindungen zum Iran zu halten, vor allem wenn die betroffenen Unternehmen, wie Total, Maersk oder Siemens auf die Politik pfeifen und lieber auf Nummer sicher gehen, sich also für den ungehinderten Zugang zum US-Markt entscheiden.
Aber die EU tut gut daran, nicht einfach den Kopf in den Sand zu stecken und wenigstens ein wenig Widerstand gegen das Weiße Haus zu organisieren. Plötzlich finden sich die Europäer in Allianzen mit Russland, China und Iran gegen den großen atlantischen Bruder wieder. Vor Trump undenkbar. Interessant dürfte das Treffen von US-Präsident Trump mit den widerborstigen Europäern im Juli beim NATO-Gipfel in Brüssel werden. Die europäischen Staaten sollten darauf vorbereitet sein, dass die USA mit dem Rückzug aus dem Bündnis drohen und eine Art Rechnung für die nukleare Abschreckung präsentieren. Europa muss erwachsen werden, und das sehr schnell. Der erste Schritt wurde in Sofia getan.
Übrigens: Bei der Beendigung des Bürgerkrieges auf dem Balkan und den Bemühungen, Frieden zu schaffen, haben die USA und die EU vor 20 Jahren Hand in Hand zusammengearbeitet. Heute eher undenkbar. So sehr haben sich die Zeiten geändert.
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