Das Brexit-Theater wird immer absurder. Das Mitgliedsland, das aussteigen will, aber unfähig ist, einen geordneten Rückzug zu organisieren, wird jetzt eventuell gezwungen, an den Europawahlen teilzunehmen. An Wahlen für ein Gremium, dem man ja eigentlich nicht mehr angehören will. Kein Wunder, dass den Hartleibigen unter den Brexit-Vorkämpfern in den Sinn kam, die Chance zur Sabotage zu nutzen und der EU nach der Wahl von innen her Sand in das ohnehin schwergängige Getriebe streuen zu wollen.
Die Absurdität der Situation versucht die EU nun mit einer flexiblen Verlängerung zu bemänteln, die an Bedingungen geknüpft ist. Wenn die Briten sich endlich zu einer Zustimmung zu einem notwendigen Ausstiegsvertrag durchgerungen haben, dürfen sie die Union zum nächsten Ersten des Monats verlassen, spätestens jedoch am 31. Oktober. Das klingt fast wie ein deutscher Mustermietvertrag. Die Frage, warum dann überhaupt eine Begrenzung notwendig ist, wurde gar nicht mehr gestellt.
Weitere Verlängerung ist immer drin
Während dieser innenpolitisch qualvollen Monate bis zum Oktober mit einem völlig zerstrittenen Parlament und einer Premierministerin ohne Macht und Rückhalt, muss sich Großbritannien am Tisch der EU brav verhalten, darf nicht das Wirken der EU behindern. "Take back control!" Diese magische Verheißung sah doch irgendwie anders aus in der Brexit-Kampagne.
In der langen Gipfelnacht von Brüssel hat die EU der britischen Premierministerin die Bedingungen diktiert und darüber entschieden, ob das abtrünnige Mitgliedsland ohne Vertrag am Freitag oder eben erst in einigen Monaten ausscheidet. Ob es bis zum Ende dieser neuen Verlängerung ein Austrittsabkommen geben wird, das beide Seiten ratifizieren, ist keinesfalls sicher. Es kann gut sein, dass das schwer verständliche, weil absurde Theater nur weiter in die Länge gezogen wird. Schon jetzt ist klar, auch Ende Oktober würde es im Zweifelsfall eine weitere Verlängerung geben, denn die EU will an einem harten Brexit auf keinen Fall Schuld sein.
Die einzige saubere Lösung ohne allzu große Absurditäten wäre eine Rücknahme des Austrittsantrages durch die britische Regierung gewesen. Dann hätte das vollwertige Mitgliedsland Großbritannien alle Zeit der Welt, sich zu sortieren, einen neuen Anlauf zu nehmen sowie einen anderen Austrittsvertrag mit der EU auszuhandeln. Das Geschrei der harten Brexiteers wäre groß gewesen. Theresa May hätte nach der Rücknahme des Artikel 50 Antrages zurücktreten müssen, aber das hat sie ja sowieso angeboten, um das Parlament auf Linie zu bringen.
Der Spuk geht weiter
Die Unsicherheit für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bleibt. Alles schwebt. Gift für Investitionsentscheidungen. Bislang waren die 27 EU-Staaten bemerkenswert einig, wenn es um das Brexit-Verfahren ging. Diese Einigkeit beginnt aber jetzt zu bröckeln. Frankreich hat sich sehr gegen die von einer großen Mehrheit favorisierte lange Verlängerung gewehrt. Frankreich wollte wie Theresa May den 30. Juni, um die britische Teilnahme an den Europawahlen zu vermeiden. Deutschland trat für Dezember oder März ein, um das leidige Thema Brexit endlich aus den Schlagzeilen zu bekommen.
Schließlich kam ein typischer Kompromiss in der Mitte heraus, der sachlich nicht so richtig zu begründen ist. Dann trifft man sich halt in der Mitte, Ende Oktober.
Einen Spitznamen hat diese Verlängerung auch schon: Halloween-Brexit. In der letzten Oktobernacht sind ja die Geister und Gespenster unterwegs. Ein gutes Omen?