Was sind das wieder für schwarze Tage für die deutsche Automobilindustrie! Am Montag wird der Chef des Daimler-Konzerns (Eigenwerbung: die Erfinder des Automobils), Dieter Zetsche, zum Rapport ins Verkehrsministerium einbestellt. Zwei Tage später verdonnert die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Volkswagen-Konzern (Eigenwerbung: der weltgrößte Autobauer) zu einer in der deutschen Wirtschaftsgeschichte noch nie dagewesen Strafzahlung von einer Milliarde Euro. Zudem durchsuchen zu Wochenbeginn Ermittler die Privatwohnung des Audi-Chef Rupert Stadler(Eigenwerbung: Vorsprung durch Technik), gegen ihn wird jetzt wegen Betrug ermittelt.
Wir doch nicht! Doch!
Dieselgate, das vor bald drei Jahren mit Enthüllungen über die Abgastrickserien von Volkswagen seinen Anfang nahm, hat sich längst zu einer veritablen Krise der gesamten deutschen Autobranche ausgewachsen. Einer Branche, die sich stets und noch immer als Vorzeigebranche sieht (was sie nicht mehr ist), die immerzu auf ihren gewichtigen Beitrag zum Industriestandort Deutschland verweist (was richtig ist). Wie hatte sich Dieter Zetsche stets auf die Brust geklopft: "Wir haben nicht betrogen!" "Bei uns gibt es keine Abschalteinrichtungen!" Doch, habt ihr!
Gleiches war stets vom bayerischen Edel-Auto-Bauer BMW zu hören: "Wir sind clean!" Clean? Denkste! Versehentlich wurde bei diversen Modellen die Software verwechselt. Coole Ausrede! Man könnte sich darüber totlachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre.
Die deutschen Mühlen mahlen langsam
Was in Amerika schnell ging, zumindest für VW: die Aufklärung, die Strafzahlungen (24 Milliarden Euro!!!), die knallharten und schnellen Urteile. Das alles dauert bei der deutschen Justiz deutlich länger (deutsche Gründlichkeit?). Aber sie ermitteln fleißig, die Staatsanwälte in Braunschweig, München und Stuttgart. Sie ermitteln wegen Marktmanipulation (Hätte man die Anleger früher informieren müssen?) und wegen Betrugsverdachts. Allein in Braunschweig haben sie 49 Verdächtige im Visier. Darunter auch die großen Tiere wie Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, der ja auch in den USA zur Fahndung ausgeschrieben ist.
Nun haben zwar die Autobauer zugesagt, "vollumfänglich mit den Behörden zu kooperieren"- aber Pustekuchen: Tricksen, täuschen, tarnen lautet die Strategie - und stets nur das zugeben, was nicht mehr zu verschleiern ist. Endlich auch wacht die Politik auf: Eine Vorladung zum Rapport gab's zwar schon unter der vorigen Bundesregierung, aber der mit viel Trara einberufene Dieselgipfel vom vergangenen August war eher eine Kuschelrunde. Aber den Herrn Zetsche nach Berlin zu zitieren, das hatte schon mal eine neue Qualität. Und auch die nun verhängte Milliarden-Geldbuße gegen Volkswagen ist ein erstes Signal der Staatsanwaltschaft. Die Sache ist bei weitem noch nicht ausgestanden, es geht jetzt erst richtig los.
Macht euch endlich ehrlich!
Der Daimler-Chef verließ am Montag das Ministerium und verkündete trotzig: Man werde den Rechtsweg ausschöpfen. Volkswagen immerhin gab sich reumütig und will keine Rechtsmittel gegen die Strafe einlegen. Kleines Bonmot am Rande: Die Milliarde muss Volkswagen übrigens an das Land Niedersachsen zahlen, den eigenen Mehrheitsaktionär. Vielleicht deswegen.
Nein, die Dieselkrise ist noch lange nicht ausgestanden. Wenn die Prozesse erstmal beginnen (am 3. September gibt es das erste Musterverfahren in Braunschweig), wenn die Müllers, Winterkorns und Stadlers erstmal im Zeugenstand oder auf der Anklagebank erscheinen müssen, dann brechen die mühsam zugeklebten Wunden aufs Neue auf und es wird einmal mehr deutlich: Sie haben getrickst und getäuscht. Aber Verantwortung wollen sie nicht übernehmen. Sie liefern andere ans Messer, aber in der Chefetage haben sie nichts gewusst. Das glaubt Euch kein Mensch! Lasst endlich die Hosen runter, macht euch ehrlich. Sonst ist eines Tages doch noch der von euch mitleidig belächelte Elektro-Pionier Tesla der große Gewinner.
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