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Kommentar: Eine skandalöse Wahl

Daniel Heinrich2. August 2014

Darauf haben viele Türken in Deutschland lange gewartet: Zum ersten Mal dürfen sie hierzulande ihre Stimme für eine türkische Wahl abgeben. Ein Skandal - findet Daniel Heinrich.

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Olympiastadion in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Paul von Hindenburg - so hieß der Sieger der letzten direkten Präsidentenwahl, die in Deutschland abgehalten wurde. Das ist inzwischen 82 Jahre her. Zum ersten Mal seit der Weimarer Republik dürfen Menschen in Deutschland wieder für einen Präsidenten abstimmen. Zur Wahl steht diesmal allerdings kein Repräsentant der Bundesrepublik. Das Staatsoberhaupt eines Landes steht zur Wahl, dessen Hauptstadt mehr als 2600 Kilometer von Berlin entfernt liegt. Und dennoch elektrisiert diese Wahl die 1,4 Millionen Türken, die in Deutschland wahlberechtigt sind, viel mehr als es jemals eine Bundestagswahl tun könnte.

Das ist ein Skandal. Und gleichzeitig ist es ein Armutszeugnis. Für Deutschland und vor allem für die seit Jahren in eine falsche Richtung laufende Integrationspolitik. Es ist die Inkarnation der viel verschrienen Parallelgesellschaft in Deutschland.

Und dennoch ist es leicht, die Türken zu verstehen. Bei vielen hat sich über die Jahre Frust aufgestaut: Egal was sie machen, wie gut sie sich integrieren, wie gut ihre Noten in Schule, Uni oder in ihren Ausbildungsstätten sind. Für viele Deutsche sind sie und werden es immer bleiben: Türken.

Daniel Heinrich (Foto: DW)
Bild: DW/M. Müller

"Warme Worte" fehlen

Die deutsche Gesellschaft hat großenteils die von der Politik vorgegebene Marschroute der "Willkommenskultur" nicht verinnerlicht. Vor allem nicht bei Menschen, die Kopftuch tragen oder freitags in die Moschee gehen. Dies ist der Hauptgrund für die massenhafte Zustimmung, auf die der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan trifft, wenn er nach Deutschland kommt.

Die Auftritte Erdogans verdeutlichen allerdings noch etwas ganz anderes: Sie zeigen, wie einfach es wäre, die "türkische Seele" auf seine Seite zu ziehen. Denn was macht Erdogan schon bei seinen Anhängern? Er lobt sie. Appelliert an sie. An "seine" Landsleute, wie er sagt. Er, die gesamte Türkei, sei für sie da, wenn es ihnen schlecht geht. Das mag man hierzulande belächeln. Und natürlich ist es faktisch einfach Quatsch. Die Türkei übernimmt weder Sozialversicherungsbeiträge, noch zahlt sie Arbeitslosengeld für die Türken, die hier leben. Mehr als "warme Worte" hat Erdogan also nicht übrig für die Türken in Deutschland.

Aber genau das, "warme Worte" nämlich sind es, die die Türken in Deutschland bräuchten von der deutschen Politik. Was sie ankommen ließe in der deutschen Gesellschaft. Würden solche Worte häufiger fallen: Es wären keine Olympiastadien in Deutschland mehr nötig, um das Staatsoberhaupt eines fremden Landes zu bestimmen. Denn die Menschen mit türkischen Wurzeln würden diese als genau solche betrachten. Als Wurzeln. Als etwas Vergangenes, Historisches. So wie die Direktwahl eines deutschen Präsidenten.