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Amerikanische Parallelgesellschaften

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Ines Pohl
2. August 2016

Nach seinen respektlosen Äußerungen über die muslimischen Eltern eines gefallenen US-Soldaten wird Trump auch von Republikanern scharf kritisiert. An der breiten Zustimmung für ihn wird das wenig ändern, meint Ines Pohl.

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USA Republican National Convention in Cleveland
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Rourke

Die "Washington Post" schreibt von "Erschütterung", die "New York Times" spricht von einer "extremen Krise", auch die liberalen TV-Sender wie MSNBC, sogar CNN, haben nur ein Thema: Wie konnte Donald Trump es wagen, ein Elternpaar anzugreifen, das seinen Sohn bei einem Kriegseinsatz der USA im Irak verloren hat.

Die vollkommen empathielose Respektlosigkeit des republikanischen Präsidentschaftskandidaten in diesem Fall ist selbst für seine Verhältnisse außergewöhnlich. Das mag damit zu tun haben, dass die Attacke des muslimischen Ehepaares Khan wirklich saß. Sie hatten Trump während des Parteitages der Demokraten direkt angegriffen. Ihm, der wiederholt ein grundsätzliches Einreiseverbot für Muslime gefordert hat, vorgeworfen, dass er für die Vereinigten Staaten noch nichts geopfert habe. Im Gegensatz zu ihnen und all den muslimischen und anderen Einwandererfamilien, die das größtmögliche Opfer erbracht haben: Das Leben eines geliebten Kindes.

Kritik aus eigenen Reihen

Trumps Reaktion untermauert, wie gefährlich dünnhäutig er ist, wie unreflektiert und unkontrolliert seine Äußerungen geraten, wenn er sich in die Ecke gedrängt fühlt. Seine Tweets gingen dieses Mal auch vielen republikanischen Spitzenpolitikern zu weit. Vom Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan über den ehemaligen Gouverneur von Florida, Jeb Bush, bis zum vorangegangenen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, John McCain, reicht die Liste der republikanischen Parteiprominenz, die sich explizit hinter die Khans und damit gegen Trump stellt. Und auch Präsident Barack Obama ließ sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen, den Herausforderer aufs schärfste zu kritisieren.

Das ist schon etwas. Vor allem nach einem Wochenende, an dem Donald Trump nicht nur Taktlosigkeit, sondern auf dem Feld der Außenpolitik auch völlige Ahnungslosigkeit demonstrierte. In einem TV-Interview sagte er wörtlich: "Putin wird nicht in die Ukraine gehen, ja, nur damit Sie das verstehen. Er wird nicht in die Ukraine gehen, okay?“ Das ist schon peinlich.

DW-Washington-Korrespondentin Ines Pohl (Foto: DW)
DW-Washington-Korrespondentin Ines PohlBild: DW

Schockwelle der Erkenntnis

Aufruhr also im Establishment. Trumps Entgleisungen haben bei den Spitzenpolitikern der Republikaner eine weitere Schockwelle der Erkenntnis ausgelöst, wen man da unter der eigenen Flagge segeln lässt.

Allein, an der breiten Zustimmung für Trump im Lager seiner Unterstützer wird all das mutmaßlich wenig ändern. Einfach, weil weite Teile der Bevölkerung von Trumps Fehltritten gar nichts mitbekommen. Die Medienlandschaft in den USA ist strikt aufgeteilt. Im TV-Bereich gibt es den sehr rechten Sender Fox News - der die Familie Khan selbst fast gar nicht zu Wort kommen ließ - und den Rest, im Radio-Bereich den sehr liberalen Sender NPR und den Rest. Zeitungen sind im Aussterben begriffen und die großen liberalen Institutionen wie die "New York Times" oder die "Washington Post" erreichen letztlich nur die Bildungselite des Landes, von der nur sehr wenige mit dem Trump-Lager sympathisieren dürften.

Echo der Selbstreferenzialität

Und die Nutzer von Facebook, Twitter und anderen Sozialen Medien bewegen sich ohnehin immer nur in der selbstgewählte Mikrowelt, in der die eigenen Einschätzungen, Ängste und Hoffnungen nicht hinterfragt, sondern in einem endlosen Echo der Selbstreferenzialität multipliziert werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Überzeugungen gibt es in einer solch disparaten Medienwelt nicht mehr.

In diesem Wahljahr wird in den USA bitterlich deutlich, wohin die Entwicklung führt, wenn ein Land zu einem bloßen Verbund von Parallelwelten verkommt: Es gibt keine gemeinsamen Plattformen der öffentlichen Auseinandersetzung und des politischen Streites mehr, die an Lösungen und nicht an Skandalisierungen interessiert sind.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl