Trumps dummer Golan-Vorstoß
Man könnte versucht sein, es positiv zu sehen - und zu sagen: Endlich kommt mal ein amerikanischer Präsident, der die Pfade der fest getretenen Nahost-Diplomatie verlässt. Ein Präsident, der mutig neue Wege beschreitet, anstatt auf der Gültigkeit wirkungsloser UN-Resolution zu beharren, die seit Jahrzehnten nachweisbar keine politische Lösung gebracht haben. Denn mit einem hat Donald Trump ja recht: Die israelische Herrschaft über den Golan ist eine Tatsache. Sie wird sich so schnell nicht ändern - vielleicht sogar niemals. Warum also diese Realität nicht anerkennen? Muss nicht die schonungslose Analyse der Realität zwingend am Anfang eines jeden politischen Lösungsversuchs stehen?
Bruch des Völkerrechts
Ganz so einfach ist es leider nicht. Zwar scheint nicht ausgeschlossen, dass Trumps außenpolitischer Hauruck-Stil zu bisher kaum für möglich gehaltenen Erfolgen gegenüber Ländern wie Nordkorea oder China führen könnte. Aber sein Vorhaben, die Annexion der völkerrechtlich unbestreitbar zu Syrien gehörenden Golanhöhen anzuerkennen, ist von einer ganz anderen Qualität. Um dem verbündeten israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu ein Wahlkampf-Geschenk zu machen, gießt Trump mutwillig weiteres Öl in die Vielzahl der nahöstlichen Feuer und stellt damit geltendes Völkerrecht in Frage: Wer die 1981 annektierten Golanhöhen als vermeintlich israelisches Territorium anerkennt, kann künftig kaum noch glaubwürdig die russische Einverleibung der Krim verurteilen. Der Bruch des Völkerrechts wird so mit Segen der Großmacht USA zur anerkannten Norm.
Gefährlich sind auch die regionalen Auswirkungen: Wie schon bei der amerikanischen Entscheidung, Jerusalem gegen den Willen der Palästinenser und einer Mehrheit in den Vereinten Nationen als israelische Hauptstadt anzuerkennen, ergreift Trump einseitig Partei zugunsten Netanjahus und verprellt damit die arabische Gegenseite. Damit bringt er keineswegs nur politische Gegner wie das syrische Regime, den Iran und die Hisbollah gegen sich auf. Er stärkt diese Kräfte sogar, in dem er ihrer immer wieder erfolgreichen anti-amerikanischen und anti-israelischen Propaganda neue Nahrung gibt. Trump verrät und verkauft die legitimen Interessen der Araber und Muslime - so werden es die meisten Menschen in der Region auch diesmal wieder sehen.
Politischer Selbstmord
Ohne Not schwächt Trump damit auch seine arabischen und muslimischen Verbündeten in der Region. Die Golfstaaten haben seine Äußerungen bereits bedauert und betont, der Golan bleibe syrisch. Ähnlich äußerte sich Washingtons Partner Ägypten. Und auch die mit den USA zusammenarbeitenden Kräfte der syrischen Opposition werden kaum einer Preisgabe eigenen Staatsgebietes zustimmen können. Dies käme politischem Selbstmord gleich.
Zwar darf unterstellt werden, dass die Hoheit über die Golanhöhen den Herrschenden in Kairo und Riad letztlich genauso gleichgültig ist wie das Schicksal der Palästinenser in Gaza - sie haben zur Zeit ganz andere Prioritäten, allen voran die Zurückdrängung des iranischen Einflusses in der Region. Aber gemeinsam mit Amerikanern und Israelis einen "neuen" Nahen Osten zu erschaffen, das werden die arabischen Potentaten ihren Bevölkerungen jetzt noch viel weniger glaubwürdig vermitteln können als bisher schon. Denn Trumps neuer Winkelzug auf dem Golan zwingt sie dazu, der anti-amerikanischen Rhetorik der "arabischen Straße" Genüge zu tun. Auch dies ist eine Realität, die in der Region niemals außer Acht gelassen werden darf. Insofern ist Trumps Golan-Vorstoß nicht nur gefährlich. Er ist vor dem Hintergrund seiner eigenen Interessen und Pläne in der Region auch schlichtweg dumm und kontraproduktiv.