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Die Muskelspiele der Taliban

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Florian Weigand
22. Juni 2015

Mit dem Angriff auf das Parlament in Kabul und auf die nordafghanische Stadt Kundus wollen die Taliban Stärke gegenüber der Regierung und dem erstarkenden IS in Afghanistan demonstrieren, meint Florian Weigand.

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Anschlag auf das Parlament in Kabul am 22.06.2015 (Foto: SHAH MARAI/AFP/Getty Images)
Anschlag auf das Parlament in KabulBild: Getty Images/AFP/S. Marai

Noch in der vergangenen Woche gab es Signale, die auf eine politische Lösung des Dauerkonflikts zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban hindeuteten. Vertreter beider Seiten hatten sich in Oslo zu inoffiziellen Gesprächen getroffen. Greifbare Ergebnisse gab es zwar nicht, aber immerhin die Aussicht, die Verhandlungen nach dem Ramadan gegen Ende Juli weiterzuführen.

Nun sind gerade mal die ersten Tage des Fastenmonats verstrichen. Und die Taliban melden sich mit einer neuen Welle von Gewalt zurück. Das Parlament in Kabul steht unter Beschuss. Und die nordafghanische Stadt Kundus, bis vor 18 Monaten unter dem Schutz der deutschen Bundeswehr, wird ebenfalls von ihnen hart bedrängt. Dass das alles im den Muslimen heiligen Fastenmonat Ramadan stattfindet, einer Zeit der spirituellen Einkehr und der guten Werke, zeigt überdeutlich, welche verquasten Vorstellungen die Taliban von ihrer Religion haben.

Nationalistische Agenda

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Florian Weigand, Leiter der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle

Im Zweifel verfolgen die selbst ernannten "Gotteskrieger" eben doch ganz diesseitig, irdische Ziele. Die sind der Sturz der afghanischen Regierung, die Vertreibung aller ausländische Truppen, die sich in reduzierten Zahl immer noch im Land befinden, und die (Wieder-)Errichtung eines Taliban-Staates. Denn neben der religiösen Komponente verfolgen sie eine klare nationalistische Agenda.

"Afghanistan gehört den Afghanen" ist ihre Devise, vielleicht noch angereichert durch die paschtunischen Gebiete jenseits der pakistanischen Grenze. Dort sind die Taliban in der jüngsten Vergangenheit unter Druck geraten. Die Konkurrenz durch die Terrorgruppe "Islamischer Staat" hat sich am Hindukusch zu Wort gemeldet und droht mit ihrer verlockenden Ideologie des globalen Heiligen Krieges den Taliban mit ihren vergleichsweise bescheideneren Zielen langsam das Wasser abzugraben.

Medienwirksame Aktionen

Im Einzelfall lässt es nur schwer ermitteln, welche lokalen Gruppen dem IS bereits Treue und Gefolgschaft geschworen haben. Doch die Taliban-Führung um den geheimnisumwitterten Mullah Omar wurde nervös genug, einen Brief an den IS-Chef Baghdadi zu schreiben mit der Forderung, der IS soll doch bitte die Finger von Afghanistan lassen. Das geschah vergangene Woche, zeitgleich zu den Gesprächen in Oslo. Also mussten wohl medienwirksame Aktionen her, um den Führungsanspruch in Afghanistan zu verteidigen. Ein Angriff auf das Parlament hat einen starken Symbolwert. Und die internationale Aufmerksamkeit ist gewiss.

Der Kampf um Kundus hat einen ähnlichen Stellenwert. Wäre es nach der internationalen Gemeinschaft gegangen, wäre hier im Norden eine Modellstadt mit moderner Infrastruktur, einer lebendigen Zivilgesellschaft und guter Regierungsführung entstanden, unter dem militärischen Schutz der ISAF und mit der finanziellen und personellen Unterstützung der zivilen Hilfsorganisationen. Fällt Kundus, dann zeigen die Taliban, dass dieses Model in Afghanistan keine Zukunft mehr hat und zwölf Jahre Entwicklungshilfe Makulatur ist.