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Politik

Die EU braucht eine klare Flüchtlingspolitik

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Jens Thurau
4. Oktober 2019

Auf den Inseln Griechenlands steigen die Flüchtlingszahlen wieder. Dabei sind die bestehenden Lager seit Jahren überfüllt. Das zeigt, wie halbherzig die Politik der EU Asylsuchenden gegenüber ist, meint Jens Thurau.

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Lesbos Flüchtlingslager Moria
Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist seit Jahren völlig überfülltBild: AFP/A. Messinis

Wer die Grundzüge der Flüchtlingspolitik der Europäischen Union verstehen will, braucht schon ein paar Minuten, um zu lesen oder zuzuhören. Kompliziert ist das Geflecht. Es sieht Vereinbarungen mit nicht immer berechenbaren Partnern wie der Türkei vor, es mutet einzelnen Mitgliedsstaaten wie Griechenland Belastungen zu, die sich oft als zu schwer herausstellen. Vor allem aber folgt die EU-Politik Asylsuchenden gegenüber einem Grundsatz: Die Flucht nach Europa - aus Afrika, aus Syrien, aus Afghanistan - möglichst zu verhindern und die Mauern so hoch wie möglich zu bauen. Gleichzeitig möchten viele EU-Staaten aber auch weiterhin als Hort von Humanität und Menschenrechten gelten.

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer muss sich gerade mit den Folgen dieser Halbherzigkeit auseinandersetzen. An diesem Freitag beendet er seine eilig geplante Krisen-Reise in die Türkei und nach Griechenland. Denn auf den griechischen Inseln ist die Zahl der Flüchtling zuletzt wieder gestiegen, das Elend ist groß. Und die Türkei hat offen ihren Unmut über das schlechte Handling des "Deals" geäußert, den die EU 2016 mit der Türkei abschloss. Dessen Kern ist sehr grob formuliert: Die Türkei bekommt Geld und andere Zugeständnisse, um Menschen vor allem aus Syrien an der weiteren Flucht Richtung Europa zu hindern. Funktioniert nur alles nicht so gut - von beiden Seiten nicht.

Die EU versucht sich abzuschotten

Im Herbst 2015 hat Angela Merkel, die deutsche Kanzlerin, sich in einer aktuellen Notsituation für das offene Europa entschieden: Als in Ungarn Flüchtlinge unter unzumutbaren Bedingungen ausharren mussten, entschied sie, die Menschen nach Deutschland kommen zu lassen. Gegen die EU-Regel, wonach Menschen dort um Asyl nachsuchen müssen, wo sie erstmals europäischen Boden betreten. Seitdem hat auch die Bundeskanzlerin Schritt für Schritt mitgeholfen, die Wege nach Europa zu schließen und die Bedingungen für Asylsuchende zu verschlechtern.

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Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Im Kern geschieht das aus purer Angst: Vor möglichen Verwerfungen in den europäischen Gesellschaften, vor den Rechtspopulisten in allen EU-Ländern. Einige von ihnen werden längst von solchen Politikern regiert. Die Asylpolitik der EU, auch die der meisten ihrer Mitgliedsstaaten, ist zumeist defensiv. Seit Jahren ist die EU nicht in der Lage, sich auf einen Schlüssel zu einigen, wie denn Flüchtlinge, die zumeist in den Mittelmeeranrainern wie Griechenland oder Italien ankommen, gerecht und sinnvoll auf alle Staaten verteilt werden können. Dass sich das in Zukunft ändern wird, ist nicht absehbar.

Das aber wäre eine Politik, die den Ansprüchen zumindest der EU-Kernstaaten wie Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, den Skandinaviern gerecht werden würde: Europa klar als einen Kontinent der Zuwanderung definieren, der er immer schon war. Die Grenzen dafür benennen und klare Regeln für die Lastenverteilung formulieren, an die sich dann auch alle Staaten halten. Vor allem aber: Zunächst einmal human mit den Menschen umgehen, die den Kontinent erreichen. Rund 4000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Griechenland, von denen die Hilfsorganisationen sprechen, sind ein Armutszeugnis für die gesamte EU. 

Kernaufgabe für Ursula von der Leyen

In einer Welt, in der immer weniger Regeln gelten, muss Europa - trotz Brexit, trotz Donald Trump - zurückfinden zu seinen Werten. Den Kontinent planlos für Flüchtlinge aus aller Welt zu öffnen, ist damit nicht gemeint. Aber es wird eine der Kernaufgaben der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sein, dafür zu sorgen, dass die EU-Flüchtlingspolitik mutiger und verlässlicher wird - und sich nicht von den Populisten treiben lässt.