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Politik

Deutschland, schau nach Bayern!

21. März 2020

Der Freistaat im Süden zeigt, wie Politik in der Corona-Krise entschlossen handeln kann. Ministerpräsident Markus Söder empfiehlt sich damit auch als potenzieller Merkel-Nachfolger, meint Marcel Fürstenau.

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Deutschland München | Coronavirus | Markus Söder, Ministerpräsident
Bayern Ministerpräsident Markus Söder mit zwei Ministerinnen seines LandeskabinettsBild: Imago Images/S. Minkoff

An diesem Sonntag will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Chefs der 16 Bundesländer beraten, welche weiteren Maßnahmen Deutschland im Kampf gegen die Corona-Krise ergreifen soll. Viele rechnen mit einer allgemeinen Ausgangssperre. Das Wort geistert schon seit Tagen durch die öffentliche Diskussion. Doch was heißt das eigentlich? So weit wie im chinesischen Wuhan wird es hierzulande wohl nicht kommen.

Auch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder meinte etwas anderes, als er zum Wochenende weitreichende Ausgangsbeschränkungen verhängte: Die rund 13 Millionen Menschen im Freistaat dürfen seit Samstag nur noch in wenigen Ausnahmefällen das Haus verlassen. Ausgenommen sind Wege zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Arzt. Erlaubt bleiben auch Spaziergänge - allein oder mit der Familie. Gruppenbildungen im Freien sind jedoch verboten. Na endlich!

Der mögliche Kanzler-Kandidat Armin Laschet wirkt unentschlossen

So forsch wie Söder war sonst niemand im föderal strukturierten Deutschland, in dem die Bundesländer bei der Organisation des Alltags weitgehend autark handeln. Zentral regierten Ländern fällt es deshalb in Krisenzeiten leichter, einheitliche Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Ein Blick auf die deutsche Landkarte hingegen zeigt schnell, wie unterschiedlich die Corona-Strategien sind. Besonders augenfällig wird der Unterschied, wenn man auf das mit 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen schaut.

Ministerpräsident Armin Laschet war am Freitag, als Söder in die Offensive ging, noch zurückhaltend: Der Staat müsse sorgsam abwägen, wenn er Grundrechte einschränke, sagte er. Wenn man eine ganz große Ausgangssperre verhindern wolle, müsse man andere Bereiche womöglich weiter herunterfahren. So werde man prüfen, ob beispielsweise Friseurgeschäfte und Baumärkte weiter geöffnet bleiben könnten.

In Krisen-Zeiten erwarten die Menschen Führungsstärke

Bayern ist da schon weiter und ordnete flächendeckende Schließungen an. Baden-Württemberg und das Saarland folgten dem Beispiel. Vielleicht ist die Sensibilität in diesen Regionen auch deshalb größer, weil man Italien, Österreich und Frankreich geografisch näher ist. Also Ländern, die besonders stark von der Corona-Krise betroffen sind oder schon früher als Deutschland drakonische Maßnahmen ergriffen haben.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Dabei ist gar nicht so sehr die Frage entscheidend, wie dramatisch die Situation hier oder dort gerade ist. Dass sie sich fast überall immer schneller zuspitzt, ist unbestritten. Und in solchen Zeiten erwarten die meisten Menschen von ihrer politischen Führung neben gutgemeinten Worten vor allem eines: Taten. Söder hat das schon früh erkannt. Anfang der Woche rief er für Bayern den Katastrophenfall aus und legte ein Zehn-Milliarden-Euro-Programm für die Wirtschaft auf. Und er ließ keinen Zweifel daran, die Bewegungsfreiheit weiter einzuschränken, wenn sich die Menschen bei frühlingshaften Temperaturen weiterhin massenhaft in Parks und Cafés tummeln.

Markus Söder hat es leichter als Angela Merkel

Markus Söder gibt in der Corona-Krise momentan eindeutig den Ton an und den Takt vor. Er hat es dabei leichter als Angela Merkel, die mit ihrer bemerkenswerten TV-Ansprache am Donnerstag genau das Richtige getan hat: den Ernst der Lage zu betonen und an die Vernunft und Solidarität der Menschen zu appellieren. Mehr konnte die Bundeskanzlerin im föderalen Deutschland allerdings nicht tun. Denn für die Umsetzung der meisten einschränkenden Maßnahmen sind in der Corona-Krise noch immer die Bundesländer zuständig.       

Zwar beteuerte Söder, ihm sei ein bundesweit einheitliches Vorgehen am liebsten. Er wolle kein "Kompetenz-Wirrwarr", sagte er, als er die Ausgangsbeschränkungen für Bayern verkündete. Deutschlands Problem ist es aber gerade, in dieser beispiellosen Ausnahmesituation die Grenzen seiner dezentralen politischen Struktur auf dramatische Weise zu spüren zu bekommen. Für kurzfristige Korrekturen ist es im Moment zu spät. Aber Gesetzesänderungen sind unvermeidlich, um in vergleichbaren Situationen künftig besser reagieren zu können.

Trotz aller Kritik: Deutschland meistert die Corona-Krise ganz gut

Trotzdem hat Deutschland aber auch so die Ausnahmesituation bislang bemerkenswert gut gemeistert. Und Markus Söder ist dabei eine Lichtgestalt, die über den Tag hinaus strahlen könnte. Denn der Ministerpräsident Bayerns ist zugleich Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union (CSU). Als Chef der Schwesterpartei von Angela Merkels Christlich-Demokratischer Union (CDU) ist er schon qua Amt ein potenzieller Kandidat für den Posten des Bundeskanzlers.

Da Merkel bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr antreten wird, ist das Rennen also offen. Als CDU-Favorit gilt Armin Laschet, einer von drei Männern, die Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteichefin beerben wollen. In der Corona-Krise gibt Laschet im Vergleich mit Söder eine denkbar schwache Figur ab. Hier der Zauderer, dort der zupackende Macher. Dieses Bild wird nachwirken. Wenn die Corona-Krise eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages vorbei sein wird, könnte wieder Söders Stunde schlagen. Als dritter CSU-Kanzlerkandidat nach Franz-Josef Strauß (1980) und Edmund Stoiber (2002).

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland