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Politik

Deutschland kreist weiter um sich selbst

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Ines Pohl
28. Oktober 2018

Die rechtsnationale AfD ist nun in allen Landesparlamenten vertreten. Die Regierung dürfte sich in den kommenden Wochen aber vor allem weiter mit sich selbst beschäftigen, kommentiert DW-Chefredakteurin Ines Pohl.

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Landtagswahl in Hessen 2018 - Wahlplakate
Bild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

An dem Wochenende, an dem die Welt über die Ermordung von elf Jüdinnen und Juden in Pittsburgh trauert, zieht in Deutschland die rechtsnationale AfD in das letzte Landesparlament ein, in dem sie noch nicht vertreten war. Gewählt von mehr als 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler des Bundeslandes Hessen, dem deutschen Banken- und Wirtschaftsstandort, in dem bundesweit die höchsten Löhne gezahlt werden und die Arbeitslosigkeit seit Jahren sinkt.

Besonders erschreckend ist diese Parallele vor dem Hintergrund, dass einer der Vorsitzenden der AfD noch vor kurzem den Holocaust als "Vogelschiss der Geschichte" bezeichnet hat. Und diese Partei ist nun also nicht mehr nur im Deutschen Bundestag vertreten, sondern in allen 16 Landesparlamenten. Eigentlich müsste diese Tatsache mein Land erschüttern und die inländischen Schlagzeilen dominieren. Dass das nicht so ist, hat viel damit zu tun, warum die AfD überhaupt so erfolgreich werden konnte.

Wähler von Streitereien genervt

Seit 13 Jahren regiert Angela Merkel. Und noch nie waren ihre Umfragewerte so schlecht wie jetzt. Das hat mit einer gewissen Ermüdung zu tun. Und mit der umstrittenen Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Vor allem aber mit den andauernden Streitereien innerhalb der Regierung. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD war von Anfang ein Zwangsbündnis ohne eine Vision, mit der man die Bevölkerung für sich hätte einnehmen können. Die offen ausgetragenen Machtkämpfe aber nerven die Wählerinnen und Wähler inzwischen am meisten - das belegen alle Umfragen.

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DW-Chefredakteurin Ines Pohl

Eine klare Mehrheit der Deutschen will diese Große Koalition nicht mehr. Entsprechend wurde diese Hessenwahl auch zur Schicksalswahl von Angela Merkel und ihrer Regierung. Wäre Merkels Vertrauter und hessischer Regierungschef Volker Bouffier nicht wieder gewählt worden, hätte Angela Merkel mit einem offenen Aufstand rechnen müssen. Nun hat die CDU zwar heftig verloren, bleibt aber klar die stärkste Kraft im Land. An der Front muss Merkel ganz aktuell also nichts befürchten. Gesichert ist damit ihr Regierungsbündnis aber lange nicht. Denn ihr Partner, die SPD, verliert auch bei dieser Landtagswahl wieder heftig und dümpelt um die 20 Prozent. Und das in einem Bundesland, in dem die Sozialdemokraten traditionell tief verankert waren. 

SPD kein verlässlicher Partner mehr

Nach diesem Wahldebakel werden die Stimmen noch lauter werden, die fordern, dass die SPD überhaupt nur überleben kann, wenn sie das Regierungsbündnis mit Merkel schnellstmöglich verlässt. Diese interne Diskussion wird Deutschland auch in den kommenden Wochen weiter beschäftigen - und die Regierung davon abhalten, ihre Arbeit zu tun. Fast müßig zu sagen, wie fatal das ist - nicht nur für das eigene Land, sondern auch für ein Europa, das sich immer weiter polarisiert und an den Rändern auflöst.

Es gibt aber auch gute Nachrichten an diesem Wahlabend. Hessen wird eine Regierung bilden können, deren Mitglieder alle tief in unserem Grundgesetz verankert sind und fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes regieren werden. Auch wenn nun in allen deutschen Parlamenten rechtsnationale Kräfte vertreten sind: Am Regierungstisch finden Antisemiten keinen Platz.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl