Kommentar: Der Prozess gegen Taylor braucht finanzielle Hilfe
31. März 2006Endlich: Charles Taylor kommt vor Gericht. Habgier war seine Triebfeder, ihm ging es um Diamanten. Und dafür schürte er Mord und Totschlag, ließ Kinder versklaven, Mädchen wurden massenhaft vergewaltigt, Jungen unter Drogen gesetzt und zum Töten gezwungen. Taylors Truppen misshandelten brutal ihre Opfer - hackten ihnen Gliedmaßen ab, schlitzten schwangeren Frauen die Bäuche auf. Man ist fassungslos, wenn man die lange Liste der Gräueltaten in der Anklageschrift liest.
Wichtiges Signal
Taylor erscheint am Freitag (31.3.2006) erstmals vor dem Sondergericht, doch der Prozess wird möglicherweise nicht in Freetown sondern in Den Haag stattfinden. Denn die liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf fürchtet, ein Prozess im benachbarten Sierra Leone könnte in ihrem Land zu neuen Spannungen führen. Dass Charles Taylor nach dreijährigem Exil in Nigeria nun tatsächlich vor dem Sondertribunal in Sierra Leone steht, ist ein Triumph. Und ein wichtiges Signal: Nicht nur die unmittelbaren Täter werden zur Verantwortung gezogen, sondern auch deren Hintermänner, selbst wenn sie Staatspräsidenten waren. Das Prinzip, das früher galt - die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen -, gilt heute nicht mehr.
Für das Sondertribunal in Sierra Leone ist der Prozess gegen seinen prominentesten Angeklagten sogar überlebenswichtig: Es leidet unter permanenter Geldnot. Der Grund: Anders als die Gerichtshöfe für Ex-Jugoslawien und Ruanda ist dies kein UN-Tribunal im engeren Sinne, sondern Sierra Leone und die Vereinten Nationen sind hier Partner zu gleichen Teilen. Was gut klingt, hat den Nachteil, dass das Geld nur durch freiwillige Beiträge der UN-Mitgliedstaaten zusammenkommt. Das hat das Tribunal schon mehrfach an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Die Finanziers hatten in Aussicht gestellt, den Geldhahn kräftig aufzudrehen, wenn Taylor vor Gericht stünde. Das ist nun geschehen.
Geld spielt eine Rolle
Geld wird umso wichtiger, wenn der Prozess in Den Haag stattfinden soll. Der Fall Taylor müsste nämlich weiter in den Händen des afrikanischen Tribunals bleiben und kann nicht etwa an den ständigen Internationalen Strafgerichtshof überwiesen werden. Dort kann man Taylor überhaupt nicht belangen - schlicht deshalb, weil der Haager Gerichtshof nur Straftaten nach Mitte 2002 verhandeln darf. Die Verbrechen in Sierra Leone, die Taylor zur Last gelegt werden, sind aber schon vorher geschehen. Es könnte sich also nur um eine reine Ortsverlagerung handeln, sprich: In Den Haag würden ein Gerichtssaal und eine Zelle durch die dortigen UN-Gerichtshöfe gestellt. Aber die Richter, die Ankläger und das übrige Personal kämen vom Tribunal in Freetown. Ein kostspieliges Projekt, das nur mit finanzieller Rückendeckung funktionieren kann - und zwar über Jahre.
Geld spielt aber auch in anderer Hinsicht eine wichtige Rolle: Für die Menschen in Westafrika ist der Taylor-Prozess ein wichtiges Stück Vergangenheitsbewältigung. Die Niederlande aber sind Tausende Kilometer von Sierra Leone und Liberia entfernt. Um eine Berichterstattung über eine solche Distanz zu gewährleisten, brauchen die westafrikanischen Medien kräftige Unterstützung. Im Falle des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag ist hier die Europäische Union tätig geworden. Denn eine Justiz, von deren Arbeit die Opfer der Verbrechen letztlich nichts erfahren, verpasst ihre wichtigste Chance: in der Region den Grundstein zu legen für eine bessere Zukunft.