Der Papst und die Grenzen der Ehrlichkeit
Der Vatikan wurde sehr gelobt, weil es dank seiner Mittlerrolle gelungen ist, ein neues Klima der Entspannung zwischen Washington und Havanna zu schaffen. Aber Papst Franziskus selbst ist gewiss kein Diplomat. Das muss nicht unbedingt ein Fehler sein.
In der Vergangenheit haben Päpste oft eher auf der politischen Bühne agiert als dass sie Zeugnis vom Evangelium abgelegt haben. Im Gegensatz dazu ist Papst Franziskus' diplomatische Unbeholfenheit zwar erfrischend - aber sie hat ihren Preis.
Der Anwalt der Armen provoziert Konservative
Als Anwalt der Armen geißelte er bereits Finanz-Spekulanten und nannte deren Geldgier "den Dreck des Teufels". Solch knackige Zitate haben die konservativen Republikaner in den USA derart provoziert, dass sie den Papst inzwischen einen verkappten Kommunisten nennen. Außerdem passt ihnen nicht, dass nun erstmals überhaupt ein Papst - und dann auch noch dieser Papst - eingeladen wurde, vor dem amerikanischen Kongress zu sprechen.
Dann kündigte Franziskus auch noch an, dass er auf seiner Reise nach Washington einen Zwischenhalt in Kuba einlegen werde. Das wirkte natürlich wie Salz in den Wunden der Konservativen auf dem Kapitolshügel. Das Mindeste, was diese nun von ihm erwarteten, war eine klare Parteinahme für die Dissidenten auf Kuba und scharfe Kritik am Castro-Regime wegen dessen Unterdrückung der Bürgerrechte.
Rückblickend muss man annehmen, dass erfahrene Diplomaten im Vatikan den Papst aufgefordert haben, ihre Fortschritte in den Gesprächen mit Havanna nicht durch offene Sympathiebekundungen gegenüber den Dissidenten zu gefährden. Das war dann ein klassisches Dilemma. Und man kann sich gut vorstellen wie Franziskus, der sich an den Regeln der Bergpredigt orientiert - "Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein" - vergeblich nach einer Lösung suchte, die allen Seiten fair und gerecht erscheint.
Unbeabsichtigte Schonung von Castros Regime
Im Ergebnis haben ihn die Vatikan-Diplomaten davon überzeugt, im offiziellen Besuchsprogramm kein Treffen mit den Dissidenten vorzusehen und ihm versprochen, ein "spontanes" Treffen am Rande des Besuches zu organisieren. Leider ist es nun genau dazu nicht gekommen. Es scheint so, als sei Kubas Staatssicherheit stets einen Schritt voraus gewesen - die Dissidenten wurden auf dem Weg zum Treffen mit dem Papst verhaftet.
Dies bringt Papst Franziskus nun den unangenehmen Vorwurf ein, das kubanische Regime geschont zu haben, während er sonst auf den Kapitalismus einprügelt - was in dieser Alternative ganz sicher nicht seine Absicht war. Trotzdem - den Preis, missverstanden zu werden, muss er nun bezahlen.
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