Alle zehn Minuten stirbt im Jemen ein Kind an vermeidbaren Ursachen. Seit der Jemen-Geberkonferenz kann niemand mehr sagen, er habe das nicht gewusst. Das Treffen in Genf hat wenigstens einen Wimpernschlag lang für Aufmerksamkeit auf die größte humanitäre Krise der Welt gesorgt. Nach der Konferenz sind immerhin knapp 50 Prozent der Mittel zugesagt, die von den Vereinten Nationen zur Abwendung der unmittelbaren Hungersnot in diesem Jahr benötigt werden. Zuvor waren es gerade mal 15 Prozent. Doch auch wenn jeder Dollar, jeder Euro, der den Notleidenden im Jemen zu Gute kommt, wichtig ist: Ein "bemerkenswerter Erfolg" wie UN-Generalsekretär Antonio Guterres das Ergebnis der Geberkonferenz bewertete, hätte die ganzen 2,1 Milliarden Dollar zusammenbringen müssen und nicht nur die Hälfte.
Hunger als Waffe
Vor allem, weil diese größte Hungersnot der Welt im Wesentlichen von Menschen gemacht ist. Es ist der Krieg, wegen dem ein Drittel der Jemeniten hungert und zwei Drittel der Menschen im Land auf Hilfslieferungen angewiesen sind. Ein Krieg, in dem Hunger als Waffe eingesetzt wird. Ein Krieg, der erst durch das Eingreifen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition vor zwei Jahren die seit Jahrzehnten schwelenden Stammeskonflikte zur Katastrophe eskalieren ließ.
Und nicht zuletzt ist es ein Krieg, an dem sehr viel verdient wird - auch von denen, die in Genf Hilfsgelder zugesagt haben: 2015, als das reichste Land der arabischen Halbinsel das ärmste Land der Region in die Steinzeit zu bomben begann, wurden aus der Europäischen Union Waffen für gut 1,8 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien exportiert. Im vergangenen Jahr hat das deutsche Wirtschaftsministerium Exportlizenzen für Waffen über mehr als 500 Millionen Euro für Saudi-Arabien erteilt. Deutschland ist damit Partei in diesem sehr schmutzigen Krieg. Das wird auch dadurch nicht besser, dass Großbritannien, Frankreich und vor allem die USA ebenfalls tatkräftig und mit ausgeprägtem Geschäftssinn dafür Sorge tragen, dass die saudischen Waffen-, Bomben- und Raketendepots trotz der massenhaften Einsätze stets gut gefüllt bleiben.
Um es klar zu sagen: Auch die Koalition der Huthi-Rebellen mit dem ehemaligen Präsidenten Saleh kämpft in diesem Konflikt ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Aber zu den zentralen Ursachen der Hungersnot gehört die anhaltende Seeblockade durch die saudische Koalition. Die Situation könnte sich noch dramatisch verschlimmern: Die saudische Koalition plant eine Offensive gegen den von der Huthi-Saleh-Koalition gehaltenen Hafen Hodeida am Roten Meer.
Nadelöhr Hodeida
Die Kapazität dieses Hafens ist durch saudische Luftschläge bereits dramatisch reduziert. Trotzdem ist er das zentrale Nadelöhr für die Versorgung des Jemen mit Nahrungsmitteln und Hilfsgütern. Ein Angriff würde die ohnehin grassierende Hungersnot in eine Todesfalle verwandeln. Das Argument der Koalition, Hodeida müsse erobert werden, um Waffenlieferungen an die Huthi-Saleh-Koalition zu unterbinden und sie an den Verhandlungstisch zu zwingen, sticht nicht: Die jüngste Friedensinitiative des UN-Sonderbotschafters wurde von der saudisch unterstützten Regierung Hadi abgelehnt. Schiffe, die den Hafen anlaufen, werden längst von der Koalition kontrolliert.
Dieser Krieg ist militärisch nicht zu gewinnen. Das gab jüngst sogar US-Verteidigungsminister Mattis in Riad zu Protokoll. Wem die Menschen im Jemen am Herzen liegen, muss deshalb die Konfliktparteien an einen Tisch bringen. Dazu wird Druck auf Riad nötig sein. Dort hat man bislang alles abgelehnt, was nicht einer Kapitulation des Huthi-Saleh Blocks gleichkommt. Ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien könnte da der längst überfällige Anfang sein.
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