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Politik

Der endlose Kampf um Gleichheit in den USA

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Miodrag Soric
2. Juni 2020

Die Protestwelle in amerikanischen Städten nach dem Tod von George Floyd kann nicht überraschen. Denn trotz zweifacher Präsidentschaft von Barack Obama sind die USA bis heute von Rassismus geprägt, meint Miodrag Soric.

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USA | Proteste gegen Polizeigewalt - Tod von George Floyd
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/Orange County Register/S. Reingewirtz

Der Aufruhr ist die Sprache der Ungehörten. Martin Luther King hat mit sonorer Stimme schon vor über einem halben Jahrhundert erklärt, aus welchen Gründen Schwarze in den USA auf die Straße gehen. Erschreckend ist, wie wenig sich seitdem geändert hat. Wieder demonstrieren Tausende gegen Rassismus und Polizeiwillkür. Und wieder haben sie kaum Hoffnung, dass sich irgend etwas an ihrem Alltag ändern wird.

Sie werden weiter kaum teilhaben am amerikanischen Wohlstand, weniger verdienen als Weiße; sie werden weiter kaum Aufstiegschancen haben, ihre Kinder in schlechteren Schulen schicken müssen, seltener krankenversichert sein, eine geringere Lebenserwartung haben und schneller und länger in Gefängnisse gesteckt werden - nur weil sie nicht weiß sind. Es ist nicht so, wie ein Kommentator schreibt, dass die Schwarzen in Dutzenden US-amerikanischen Städten deswegen protestieren, weil sie das Gefühl haben, Bürger zweiter Klasse zu sein. Sie sind es!

Keine funktionierende Kontrolle der lokalen Staatsgewalt

Denn auf dem Papier mögen alle vor dem Gesetz gleich sein. In Wirklichkeit stoppen amerikanische Polizisten, obwohl kein Verdacht besteht, Bürger vor allem aufgrund ihres Aussehens. Und machen sie dabei brutale Fehler, wie bei der Tötung von George Floyd, leugnen sie diese oft. Versuchen zu vertuschen, zu verdrängen - meist in Komplizenschaft mit der örtlichen Staatsanwaltschaft, was die Sache noch schlimmer macht.

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DW-Chefkorrespondent Miodrag Soric

In den USA fehlt eine unabhängige, funktionierende Kontrolle der lokalen Staatsgewalt. In zu vielen Polizeiwagen sitzen Gesetzesbrecher, die vorgeben Gesetzeshüter zu sein. Das Handeln der Beamten wurde und wird von zu vielen Weißen toleriert. Von der Mehrheit der Amerikaner sprach Martin Luther King als er sagte: "Wer das Böse ohne Widerspruch hinnimmt, arbeitet in Wirklichkeit mit ihm zusammen."

Dem Bösen muss aber nicht nur widersprochen werden, es muss ihm Einhalt geboten werden. Der erste farbige Präsident der USA, Barack Obama, hat es versucht - letztlich vergeblich. In seiner Amtszeit tötete ein Polizist in Ferguson mit acht Schüssen den unbewaffneten Michael Brown, worauf es zu landesweiten Unruhen kam. In seiner Amtszeit hauchte der Schwarze New Yorker Eric Garner, der sich im Würgegriff eines Polizisten befand, sein Leben aus mit den Worten: "I can't breathe - Ich kann nicht atmen." Es sind die gleichen letzten Worte, die auch George Floyd röchelte, als ein Polizist seinen Hals bald neun Minuten mit dem Knie auf die Erde drückte.

Ohnmächtig gegenüber dem Alltagsrassismus

Nein, die amerikanischen Präsidenten mögen die größte Armee der Welt befehligen, doch gegenüber dem Alltagsrassismus ihrer Landsleute sind sie ohnmächtig. Natürlich sollten sie das Unrecht geißeln und Verständnis für die Opfer von Polizeiwillkür zeigen - allein schon, um den Zorn und die Emotionen nicht noch weiter anzufachen. Präsident Trump versagt aber, wie zu erwarten, auch hier kläglich: Zeigt so viel Empathie wie ein Meteorit, der in einer Blumenwiese einschlägt. Der Präsident hat nur seine Wiederwahl im Auge, glaubt mit martialischen Sprüchen bei weißen Wählern Punkte zu sammeln. Schlimm genug für die USA, dass sein Kalkül aufgehen könnte.

Der Fall George Floyd ist leider kein Einzelfall. Es gibt Tausende ähnlicher Vorkommnisse. Vorurteile gegenüber Schwarzen finden sich nicht nur bei Polizisten, Staatsanwälten oder Richtern, sondern auch bei Lehrern und Arbeitgebern. Es ist dieser Alltagsrassismus, gegen den sich die Proteste richten. Weil es so alltäglich ist, ist nur schwer gegen ihn anzugehen. Seit Jahren fordern Menschenrechtler eine bessere Ausbildung für US-Polizisten. Seit Jahrzehnten verlangen sie nach unabhängiger Kontrolle der Arbeit von Polizei und Staatsanwälten, strengere Waffengesetze. Geschehen ist bislang wenig.

Doch bei allem Verständnis für die Proteste: Gewalt führt in eine Sackgasse. Sie kann von niemandem verteidigt oder gar gutgeheißen werden. Und bestätigt nur die Vorurteile vieler Weißer. Was also bleibt? Marin Luther King klammerte sich an die, wie er es formulierte, "grenzenlose Hoffnung", die man nie verlieren dürfe. Freilich wird das für die Familie von George Floyd nur ein schwacher Trost sein.