Eigentlich war schon vorher klar, dass von diesem Gipfel keine weltbewegenden Signale ausgehen würden. Denn die Kanzlerin, die Auto-Kanzlerin, wie sie anlässlich der Verkaufsschauen der Autoindustrie, die sie nie auslässt, stets genannt wird, die Bundeskanzlerin also ist in den Ferien. Hat wirklich jemand geglaubt, die Verkündung eines wie auch immer gearteten großen Durchbruches würde sie ihrem Verkehrsminister überlassen? Ein Gipfeltreffen ohne die Frau an der Spitze - was für ein "Gipfel" soll das sein? Und tatsächlich: Herausgekommen ist nicht viel mehr als heiße Luft, nur ohne Stickoxide. Wenigstens etwas.
Alles nur Diesel?
Dabei geht es nicht nur um "clean" oder "dirty" Diesel. Ob wir in Zukunft mit schmutzigen Autos, denen nur ein gehöriges Maß an krimineller Energie überhaupt eine Straßenzulassung verschaffen kann, durch die Städte fahren oder ob wir das mit etwas weniger schmutzigen Autos tun - das macht den Kohl am Ende auch nicht fett.
Dass nun klar ist, wer die Kosten des großangelegten Betruges an Umwelt und Verbrauchern tragen muss, ist ja ganz schön. Und auch beruhigend, dass die uns so wichtigen und teuren Autobauer nicht gar so tief in die Tasche zu greifen brauchen.
Dieses Gipfeltreffen hat die große Chance verpasst, einen Anstoß zu geben oder eine Richtung vorzugeben, in die wir aufbrechen müssen, wenn wir unsere grundlegenden Probleme, von denen der Dieselantrieb nur ein kleiner, wenn auch stinkender Teil ist, ernsthaft angehen wollen.
Was der Gipfel alles verpasst hat
Zu den Problemen, die die strukturellen und persönlichen Verstrickungen zwischen Politik und Konzernen aufwerfen: kein Wort. Zu den Problemen, die uns entstehen, weil statistisch fast jeder Erwachsene in Deutschland ein Auto hat und manchmal auch bewegt: kein Wort. Über Alternativen zum motorisierten sogenannten Individualverkehr: kaum ein Wort.
Der Gipfel hätte sich auch einmal hinterfragen dürfen: Wieso kommen hier eigentlich fast nur die zusammen, die für den ganzen Diesel-Schlamassel verantwortlich sind? Aber nein, auch personell und strukturell geht es weiter so wie bisher. Die Böcke, die man zu Gärtnern gemacht hat, gehen einfach davon aus, dass das auch gut so ist.
Wenn man ein Ziel vorgibt, wie Engländer, Franzosen oder Norweger das getan haben, nämlich in absehbarer Zeit keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, dann bleiben möglicherweise mehr als 20 Jahre, um einen Umstieg vorzubereiten. Zwei Jahrzehnte! Und unseren hochgelobten Ingenieuren, denen nichts zu schwer ist und um die uns die ganze Welt angeblich so beneidet, würde da nichts einfallen?
Weg mit dem Diesel-Privileg!
An Alternativen zu den täglichen Verkehrszuständen muss gearbeitet werden: Wir brauchen einen besseren, flexibleren und bedarfsgerechteren öffentlichen Nahverkehr und einen Fernverkehr, den eine besser ausgestattete Bahn auf der Schiene (und auf mehr Schienen, vor allem im ländlichen Raum) auch leisten kann.
Um nur diesen Aspekt herauszugreifen: Man hätte sich dafür aussprechen können (ja: müssen!), dass es sofort ein Ende hat mit dem steuerlichen Privileg für Diesel-Kraftstoff. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen könnte man in den Ausbau des Deutsche-Bahn-Schienennetzes stecken. Da hätte bestimmt auch Herr Schäuble nicht nein gesagt. Ich weiß, das wäre für unseren Verkehrsminister etwas ganz Neues gewesen. Außerdem, Herr Dobrindt: Einmal im Leben wild und wagemutig sein - das wäre doch mal was!
Dann doch lieber in die Ferien fahren
Die Probleme, die wir mit dem Diesel-Antrieb haben, sind nur ein Teil unserer Mobilitätsprobleme, die wiederum nur ein Teil unserer oft problematischen Lebens- und Arbeitswelt sind. Aber irgendwo und irgendwann muss das einmal jemand anerkennen und ein Signal setzen, dass wir diese Probleme angehen. Genau das ist eindrucksvoll nicht geschehen.
Die finanziellen Folgen des Betruges, mit dem uns die unheilige Allianz aus Autobauern, Autoprüfern und Autofreunden in der Politik täglich aufs Neue verwundert, wollen die Akteure jetzt selbst bewältigen. Schön. Den Rest macht dann der Staatsanwalt.
Aber ein Gipfeltreffen, das sich unserer Zukunft widmet - das hätten wir gebraucht. Und nicht diese Veranstaltung, die nur ein paar teure Schäden wegverhandelt. Immerhin hat der Berliner "Gipfel" eine beruhigende Gewissheit bestätigt. Dass Frau Merkel ihn sausen ließ und lieber ihre Sommerfrische genießt, zeigt: Unsere Bundeskanzlerin ist schon eine kluge Frau.
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