Das Papier nicht wert
Nun ist es also doch noch etwas zu Papier gebracht worden. Um Südsudans Präsident Kiir zur Unterschrift zu bewegen, brauchte es allerdings eine Sanktionsforderung der USA im UN-Sicherheitsrat - Einsicht sieht anders aus. "Ein Friedensschluss, der nicht aufrechterhalten werden kann, sollte gar nicht erst unterzeichnet werden" - mit diesen Worten war Salva Kiir in diese letzte Verhandlungsrunde gegangen. Auch sein Rivale und zukünftiger Vizepräsident Riek Machar äußerte Vorbehalte gegen die schon früher problembehaftete Zusammenarbeit.
Man muss also kein Hellseher sein, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorauszusagen, dass auch dieses jüngste in einer Reihe von mindestens sieben zuvor geschlossenen Friedensabkommen gebrochen wird. Und zwar noch bevor die darin getroffenen Vereinbarungen, darunter die Demilitarisierung der Hauptstadt Juba, auch nur ansatzweise umgesetzt sind.
Der Geburtsfehler des Südsudan
Zahlreiche Kommentatoren haben darauf verwiesen, dass der Geburtsfehler der jüngsten Nation der Welt in dem 2005 geschlossenen sogenannten Comprehensive Peace Agreement (CPA) zwischen Nord- und Südsudan liege, in dem die Wurzeln des Konfliktes innerhalb des Südens nicht ausreichend adressiert wurden.
Diese Analyse ist so richtig, wie sie falsch ist: Ja, das CPA wurde nach endlosen Verhandlungen am Ende nicht zuletzt auf Druck der USA und anderer Vermittler über den Zaun gebrochen, die Frage der Ressourcen- und Machtaufteilung nicht hinreichend geklärt - ein klassisches Rezept für Desaster nicht nur in Südsudan, sondern in weiten Teilen Afrikas wie auch in der Arabischen Welt.
Und dennoch wäre mit etwas gutem Willen eine Einigung über die Machtfülle von Präsident Kiir und seinem Vize Riek Machar, über Kabinettsposten und die Verteilung der gewaltigen Öl-Einnahmen möglich gewesen. Nur, und das wussten alle, die die herrische Arroganz Kiirs und die Volten des politischen Wendehalses Machar einmal aus der Nähe verfolgen konnten: Dieser Wille war zu keinem Zeitpunkt vorhanden.
Kiir und Machar haben längst die Kontrolle verloren
Inzwischen würden nicht einmal plötzliche Einsicht oder Gottesfurcht einen Unterschied machen: Längst haben Kiir und Machar die Kontrolle über ihre Gefolgsleute verloren. Ehemalige Generäle morden, brandschatzen und plündern inzwischen als Subunternehmer des Terrors auf eigene Rechnung. Kurzfristige Gewinnmargen sind dabei alles, Loyalität gegenüber der Bevölkerung, die den Unabhängigkeitskampf vom Sudan über Jahrzehnte mitgetragen hat, zählt nichts.
Angesichts der Fülle von Waffen im Südsudan eskalieren selbst Land-, Wasser- und andere Ressourcenkonflikte in Orgien der Gewalt. Daneben tragen Milizenführer und Regierungsarmee ihre Machtkämpfe auf dem Rücken einer inzwischen völlig traumatisierten Bevölkerung aus. Dass Gefangene kastriert, Kinder zusammengebunden und ihnen dann die Kehle durchgeschnitten wird, wie unlängst in einem UN-Bericht dokumentiert, stellt eine neue Stufe der Verrohung dar.
Nichts ist angesichts der Brutalisierung des öffentlichen Raumes geblieben von den zarten Hoffnungen der ersten Unabhängigkeitsmonate: Träumten Frauen von einer schrittweisen Öffnung der Zivilgesellschaft, werden sie heute einmal mehr bestialisch vergewaltigt - das Primat des Patriarchats herrscht brutal wie nie zuvor im Südsudan. Die Medien sind längst gleichgeschaltet, die Integration der regulären Streitkräfte und der Milizen ist bestenfalls halb gelungen.
Die Spirale der Gewalt dreht sich immer weiter
"Man sollte sich nur zu etwas verpflichten, was man später auch genießen kann", sagte Kiir vor der letzten Verhandlungsrunde. Was er vergaß zu erwähnen: Es liegt ganz wesentlich an ihm, dass die Südsudanesen die Früchte der Staatswerdung bis heute nicht genießen können und im Gegenteil immer tiefer in einer Spirale aus Gewalt und Gegengewalt elend versinken.
Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Troika aus USA, Großbritannien und Norwegen, die allesamt mit am Verhandlungstisch saßen, sind gut beraten, wenn sie den jüngsten Friedensvertrag nicht feiern. Sie sollten ihn mit aller gebotenen Skepsis begrüßen und im Stillen ein Waffenembargo und einen Sanktionsbeschluss vorbereiten für den wahrscheinlichen Fall einer erneuten Eskalation. Das sind sie den Südsudanesen schuldig.